Badenweiler Wohlklang mit Bandbreite

Weiler Zeitung
Meisterhaft mit seidig weichem Ton: Das Cuarteto Casals (Vera Martinez Mehner, Abel Tomàs Realp, Arnau Tomàs Realp, Jonathan Brown, v.l.) Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

KonzertRückblick über die Badenweiler Musiktage

Von Dorothee Philipp

Badenweiler. Herbst: Glühende Farben, letzte Sonnenwärme, reife Früchte, aber auch Abschied im Angesicht des unaufhaltsam kommenden Winters. Wenn man einer Musikreihe den Titel „Herbstlied“ gibt, schwingt das alles mit, und das ist auch gewollt: Klaus Lauer, der künstlerische Leiter der seit Mai 2014 wiederbelebten Badenweiler Musiktage findet für die jeweilige Reihe immer poetische Titel, die viel Raum für innere Bilder und Assoziationen lassen.

Und auch dieses Mal passte das Programm, ausladend eröffnet mit Beethovens Hammerklaviersonate, die in dem schlanken, fast mit sakraler Ehrfurcht zelebrierten Spiel von Louis Lortie eine neue, schlackenlose Deutung erfuhr. Alles war auf ihr Herzstück, das Adagio, ausgerichtet, einer der ergreifendsten Stücke der Klavierliteratur, gleichsam schwebend in jenseitigen Sphären, Kopfsatz und Scherzo hinführend, der Schlusssatz mit seinen fiebrigen Trillern ein erschöpfter Rückblick auf das Unfassbare.

„Darknesse visible“ von Thomas Adès, die zeitgenössische Reflektion eines Liedes von Dowland, schlug den Bogen ins Hier und Heute, mit erstaunlich melodischem Wohlklang und mit schneller Tastenrepetition erzeugten, wie eine Wasseroberfläche flirrenden Mustern.

Unaufgeregte Gründlichkeit im Umgang mit den Grundideen ist eins der immer wiederkehrenden Merkmale dieser Reihe: Statt nach allen möglichen Effekten zu haschen, bleibt sie ihren Gedankenfäden treu. An diesem Abend hörte das Publikum deswegen die 24 sich durch den gesamten Quintenzirkel bewegenden Préludes op.11 von Skrjabin. Ein Opus, das in vier Blöcken zwischen 1888 und 1896 entstanden ist und das durch seine tonale Verwandtschaft wie ein einziges langes Stück herüberkommt, wenn man nicht Einzelnes herauspickt.

Der Tenor Maximilian Schmitt und der Pianist Gerold Huber dann am nächsten Abend mit Schuberts „Winterreise“. Die auf Lautmalerei, Herzschmerz und dramatische Effekte ausgerichtete Mainstream-Tradition hier außer Kraft gesetzt mit einer stillen, ins Pianissimo gekehrten und gerade deswegen auf ganz neue Weise anrührenden Interpretation, mehr ein Psychogramm als die vordergründig romantisch-traurige Geschichte eines an der Liebe Verzweifelten.

Hoffnungslosigkeit verträgt keine zu lauten und theatralischen Gesten. Nie leuchtete der „Leiermann“ in einem fahleren Licht! Dem subtilen Spiel von Gerold Huber bot der eigens aus Zürich importierte Steinway D mit seinem feinen Singen den optimalen Rahmen.

Eine Gedenkminute für die Opfer des Attentats von Paris am dritten Abend: Die Erschütterung wird danach aufgefangen und weiter reflektiert von Vito Zurajs „Chrisanthemum“ aus dem Jahr 2015, einer Hommage an den vor einem Jahr verstorbenen Leiter der Donaueschinger Musiktage, Armin Köhler. Die Interpretation in den Händen der drei jungen Musikerinnen des Trio Catch, eine seltene Besetzung mit Klavier, Cello und Klarinette. Wie Zuraj ist auch der Komponist Martón Illés unter den Zuhörern. Von ihm spielt Boglárka Pecze das Psychogramm II „Rettegös“ für Klarinette solo, ein Stück, das mit hauchfeinen, hyper-elektrisierenden Klangereignissen Angstzustände nahe an der Unhörbarkeit beschreibt. Eine auch technisch grandiose Leistung im Spiel mit dem tonlosen Luftstrom.

Schostakowitsch und Webern am letzten Abend mit dem Cuarteto Casals und nach der Pause noch ein monumentales Werk von Beethoven, das sich wieder um ein schier unfassbares Adagio dreht: das Streichquartett in Es, op. 127, ein Spätwerk, in dem die ganze Ernte eines Komponistenlebens zusammengetragen ist. Webern ist durch den langsamen Satz für Streichquartett von 1905 vertreten, ein Edelstein, der im leichten, seidenweichen Ton des Casals-Quartetts in überirdischem Licht erstrahlt. Eine neckische Polka von Schostakowitsch als Zugabe holte das Publikum wieder auf den Boden der Realität zurück, ein heiterer und esprithaltiger Ausblick auf das nächste Mal: Am 28. April startet die neue Auflage der Badenweiler Musiktage unter dem nicht weniger poetischen Motto: „Klänge der Nacht“.

Weitere Informationen: www.badenweiler-musiktage.de

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