Basel „Alles kein Zufall“

Die Oberbadische
„Ich bin eine, die immer alles besser weiß“: Elke Heidenreich im Gespräch mit ihrem Freund und Schriftstellerkollegen Alain Claude Sulzer Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Literatur: Elke Heidenreich liest wunderbare kurze Geschichten im Unionssaal des Basler Volkshauses 

Von Jürgen Scharf

Basel. Elke Heidenreich hat zu fast allem eine Geschichte. „Soll ich die mal lesen?“, fragt sie den neben ihr im Unionssaal des Basler Volkshauses sitzenden befreundeten Schriftstellerkollegen Alain Claude Sulzer. „Ja bitte!“. Elke Heidenreich darf lesen, was sie will.

Selbstredend kann sie an diesem Abend auf Einladung des Literaturhauses nicht alle der fast 200 Kurzgeschichten vorlesen, aber sie bringt eine ganze Menge in eineinhalb Stunden unter. Inklusive Gespräch.

Deutschlands bekannteste Literaturvermittlerin („Lesen!“), die viele Leute zum Bücherkaufen gebracht hat, Autorin von Katzen- und Musikbüchern, Kolumnistin, Opernkennerin, Mitdiskutantin des Schweizer Literaturclubs und ehemalige Metzgersgattin Else Stratmann hat nämlich ihre Wohnung aufgeräumt.

Aus Bergen von Tagebüchern, Briefen, Zetteln und Notizen hat sie ein neues Buch mit wunderbaren kurzen Geschichten unter dem Titel „Alles kein Zufall“ herausgebracht: verschiedenste Kurzgeschichten, ja Kürzestgeschichten, oft aphoristisch, pointiert, teils humoreske Schmunzelprosa, manche nur wenige Sätze oder ein paar Zeilen lang. Mal traurig, mal heiter. Wieder andere besinnlich. Ein „Sammelsurium aus allem“, zudem sehr autobiografisch, wie sie eingesteht.

Und natürlich ist sie nicht zufällig auf was gestoßen! Denn Elke Heidenreich ist eine lebenskluge Frau und gute Beobachterin. Wie sie die Menschen und die Welt sieht, das kann sie schön beschreiben, teils in wenigen treffenden Bemerkungen auf den Punkt bringen. Ihr Geschichtenband ist flott und locker geschrieben, mal glossierend, mal spielerisch.

Die Frage, die sonst immer gestellt wird und durch die Köpfe geistert, ob sie das alles selbst erlebt oder „bloß“ ausgedacht“ hat, verbat sie sich freundlich, aber bestimmt. In der Tat: Sie hat die Geschichten meist selbst erlebt oder komplett erfunden und von A bis Z alphabetisch angeordnet.

In ihrem Leseexemplar hat sie eine Unmenge farbiger Merkzettelchen drin. Nur die erste und letzte Geschichte sind immer gleich, sonst liest sie immer andere.

Zum Beispiel die kurzweiligen Geschichten über ihre Lieblingsbrüder Hypnos und Morpheus, über ein Treffen von Krimiautoren oder einen durch die Hausfrau vermasselten Hausverkauf. In vielen Erzählungen ist ihre Mutter Paula im Hintergrund präsent. Die Tochter hat eine schwere Hypothek zu tragen, denn die Mutter, mit der sie sich erst spät versöhnte, pflegte die Prügelrituale der 50er Jahre, aber sie gab ihrer Tochter Bücher und Gedichte zu lesen und schürte so deren Liebe zur Musik und zur Literatur!

Die heute 73-jährige Elke Heidenreich blickt mit einer gewissen Altersmilde auf ihre schwierige Kindheit zurück. Eine Kindheit, die Stoff für Geschichten gibt und auch nicht ganz unschuldig daran ist, dass diese bekannte Literatin so stark, so resolut geworden ist.

Mit ihren Geschichten, die aus dem Leben entstehen, hat Elke Heidenreich Literatur gegen graue Stunden geschrieben. Damit wird sie weiterhin erreichen, was sie sowieso will: die Leute zum Lesen bringen, ihnen Leseglück vermitteln. Hauptsache, sie lesen!

Ob sie noch eine Fortsetzung der kurzen Episoden schreibt, denn Geschichten hat sie ja noch genug übrig? „Ich mache ganz gewiss kein zweites Buch mit solchen Geschichten“, wehrt Elke Heidenreich die Frage entschlossen ab. „Das war’s. Mehr kommt nicht“.

Na, mal abwarten.

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