Von Jürgen Scharf Basel. Im Gegensatz zu dem Kunstfrachter Lorin einer Schweizer Künstlerin, der an einer ungenehmigten Anlegestelle auf dem Rhein in Grenzach-Wyhlen angedockt hat, ist das historische Kanalschiff Willi im Basler Rheinhafen ein gern gesehener Gast und hat am Westquai einen festen Ankerplatz. Jetzt wird der 1909 vom Stapel gelaufene Frachtkahn mit dem sympathischen Männernamen wieder von Rosa Lachenmeier für die Ausstellung „Kunst im Schiff Willi“ genutzt. Das von einem Verein betreute Museumsschiff, das jedes Jahr im Sommer am Hafenbecken 1 anlegt, wird erneut zum Schauraum: diesmal für Brücken-Inszenierungen in Bildern. In der Weseler Werft am Frankfurter Mainufer, in Sichtweite der Europäischen Zentralbank, stellte die Basler Künstlerin im Laderaum des alten Frachters, der sein Winterquartier am Main hat, zehn Tage im Juli ihre neuesten Brückenbilder aus, die sich vor allem mit Frankfurter Brücken beschäftigen. Sie kennt die Mainmetropole mittlerweile so gut wie Basel. Lachenmeier, Dozentin an der Schule für Gestaltung, liebt „Special Locations“, stellt gern an speziellen Orten aus. Aber da Brücken nicht nur lokal interessant, sondern Symbole sind und manche Brücken sich ähneln – der Typus der Eisenbahnbrücke ist überall gleich – lassen sie sich auch als Sinnbilder sehen: für Brücken bauen, Verbindungen schaffen, von einem Ufer zum anderen, zwischen Völkern und Ländern. Nebenbei versteht sie ihr neues Projekt auch als Brückenschlag zwischen den Medien Fotografie und Malerei. Die Brückenbilder auf Leinwand, ergänzt durch einige Basler Hafenansichten, sind kurze Zeit auch in Basel sehen. Denn Willi liegt auf seiner Reise vom Main, Mosel und Rhein, aus Straßburg kommend, für zehn Tage im Rheinhafen vor Anker. „Brücken“ als mehrdeutige Metapher Und wie man im funktionell eingerichteten Frachtraum sieht, fasziniert das Thema „Brücken“ Rosa Lachenmeier als mehrdeutige Metapher. Das Interesse scheint in ihrer Familie zu liegen, hat doch ein Vorfahre, der Schweizer Baumeister Ulrich Ruffiner, im 16. Jahrhundert die ersten stabilen Brücken erbaut; die älteste ist die Chibrücke bei Stalden (1544)). Die Malerin hat überall, letztes Jahr sogar in Brooklyn/Manhattan, Brücken fotografiert, weil sie sich gern auf ein Thema fokussiert. Die Fotografien sind das Rohmaterial, das mit Malerei kombiniert wird. Sie werden am Computer überlagert und später mit Spray malerisch überarbeitet, was filmische Bewegungen und besondere Perspektiven ergibt. Gleichzeitig stellt diese Arbeit eine Reminiszenz an das Stadtleben mit Graffiti dar, denn Sprayspuren kann man für das Leben in der Stadt ansehen. Zu sehen sind Brücken in allen Variationen bis hin zu einem „Tanz der Brücken“ in verschiedenen Blickachsen und eigenem Bildrhythmus. Auch Zeitgeschichte wird dokumentiert, indem die Malerei auf die Fotografie reagiert. Denn Rosa Lachenmeier interessiert sich für alte und neue Brücken, für historische aus Sandstein ebenso wie für hochmoderne Technologien. Das wird sehr raffiniert in den Bildern kombiniert, mehrere Motive verwoben samt Wasserwegen, Kränen, Hafenansichten, wobei die Malerin nach einem gesteuerten Zufall arbeitet. Wie gesagt, es geht ihr nicht allein um Frankfurter Brücken, sondern um Brücken an sich, auch um Luftbrücken, als Chiffren für unsere Zeit, um „Zeitbrücken“ von gestern nach morgen. Als weiteres Kunstprojekt entstand parallel ein vier Meter langer Leporello, ein aufklappbares Fotobuch mit Brückenmotiven, in kleiner Auflage. Einige der Sujets tauchen in den gemalten Bildern wieder auf. Originell sind auch die Siebdrucke auf alten Schallplatten, die von der Schiffsdecke herunterbaumeln und einen räumlichen Effekt machen. Zu dieser „Brückenmusik“ passt der Song „Bridges“ als audiovisueller Beitrag zum Anhören. n  „Bridges – Brücken“: Kunst im Schiff Willi bis 12. August, täglich 16 bis 20 Uhr, Rheinhafen Basel, Hafenbecken 1, Westquaistraße 4.