Basel Das Kind gehört auf die Alp

Die Oberbadische
Die Schauspieler Grazia Pergoletti, Zoe Valks und Hans Jürg Müller in der Fondation Beyeler.                   Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

„Wintergäste“-Auftakt mit Heidi in der Fondation Beyeler

Von Jürgen Scharf

Riehen. Mit dem „Ranz des Vaches“ oder Kühreihen, einem traditionellen Eintreibelied der Hirten aus dem Greyerzerland, beginnt „Heidi“ als Familienstück mit Musik nach dem berühmten Buch von Johanna Spyri. In der Fondation Beyeler in Riehen bläst Konstantin Timokhine auf dem Alphorn diese heimliche Nationalhymne der französisch sprechenden Schweiz. Und schon kommt mit einem Ruf der Alp-Öhi um die Ecke. In einem anderen Raum sitzen Heidi und die Erzählerin und warten auf den Großvater. Das Publikum packt die Klappstühle und wandert mit auf die Alm.

Zum Auftakt der „Wintergäste“ mit dem Titel „Holdes Land, böse Stadt“ erleben wir mit Heidi glückliche Tage auf der Alp und heimwehgeplagte in der großen Stadt. Man weiß ja längst seit dem 1880 erschienenen Erfolgsbuch über dieses Naturkind Heidi, dass es am schönsten auf der ganzen Welt beim Großvater auf der Alp ist. Nur heile Welt? Mitnichten. Der Großvater wohnt beschwerlich in einer einfachen Hütte, armselig mit nur einem Stuhl, aber es gibt gutes Brot, Käse und frische Geißenmilch. Was will Heidi mehr? Es gibt auch noch den elfjährigen Geißenpeter, einen störrischen Buben, der die Geschichte mit dem behinderten Mädchen Clara ins Rollen bringt, wenn er ihren Rollstuhl ins Tal hinunter stößt.

Dass das naive Kind, genannt „das gute Heidi“ gar nicht „dumm wie eine Geiß“, sondern ein aufgewecktes Mädchen ist, zeigen Heidis Lehr- und Wanderjahre, die sie nicht nur in die Schweizer Berge führen, sondern auch nach Frankfurt in das vornehme Haus des Herrn Sesemann, wo sie es mit der schrecklichen Gouvernante Fräulein Rottenmeier zu tun bekommt. In Frankfurt gilt Heidi als kurioses Kind, dem man erstmal Benimmregeln am Tisch beibringen muss. Kein Wunder, dass „es“ sich nach „seinem“ Zuhause auf der Alp sehnt, nach dem Großvater. Das Kind gehört auf die Alp wie der Wind und die Tannen.

So hören wir bei der Lesung mit verteilten Rollen in der Konzeption von Eva Tschui-Henzlová viel über glückliche Tage auf der Alp, dass es um die Hütte des Großvaters nur so saust und braust und dass Heidi auch keine Strümpfe tragen und so rumlaufen möchte wie die Geißen. Man fühlt mit dem naturverbundenen Mädchen, das frei sein will, in der Fremde mit, zumal die junge Sprecherin der Heidi-Rolle, Zoe Valks, „das Heidi“ mit zaghafter Stimme und Geste als einnehmendes und doch aufbegehrendes Wesen charakterisiert.

Hans Jürg Müller, der einen herrlich barschen, brummigen, aber im Grunde herzlichen Alp-Öhi abgibt, hat sich extra an die Kante gesetzt, um den beiden Frauenfiguren Raum zu geben. Er hätte sich allein schon mit seiner tiefen, rauen Stimme und seinem urigen Dialekt von ihnen abgehoben. Etwas schnippisch und naserümpfend verkörpert Grazia Pergoletti das Fräulein Rottenmeier und die Tante Dete. Gelesen haben die drei Schauspieler vor „Ski Jacket“, einer imposanten Berglandschaft des Malers Peter Doig, aus der dunkle Tannenwipfel herausschauen – ein sehr passendes Hintergrundmotiv.

Musikalisch eingestimmt wurden die Zuhörer nicht nur von Alphornklängen, sondern von vier Musikern des Kammerorchesters Basel. Sie haben die aufgeführten Werke passend zu den Schauplätzen Frankfurt (Paul Hindemith) und Schweizer Bergwelt (Sinfonia pastorella von Leopold Mozart) ausgewählt. So hätte man neben der reinen, gesunden Alpenluft auch gern noch mehr Musik genossen!

Umfrage

E-Auto

Die EU hat ein weitgehendes Verbrenner-Aus bis 2035 beschlossen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading