Basel Göttliche Verwechslungskomödie

Die Oberbadische
Wer ist wer? Amphitryon (Simon Grossenbacher, v. l.), Merkur (Stefan Uehlinger) und Sosias (Percy von Tomei)                                           Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Förnbacher Premiere: „Amphitryon“ nach Kleist/Molière

Von Jürgen Scharf

Basel. Basel hat es dieser Tage mit der Antike. Lysistrata im Gare du Nord, Amphitryon im Förnbacher Theater. Ein bisschen viel Götterwelt, aber auch durch die Götter verursachter Schlamassel. Zumindest im „Amphitryon“ in der Bearbeitung von Verena Buss nach Kleist und Molière. Die Regisseurin hat das Beste aus beiden Dichterwelten für ihre Fassung genommen, hält sich an den Kleistschen Text und hat Molière übersetzt. So hat man von allem etwas, Teile aus der frivolen Verwechslungskomödie Molières, wo es um die Seitensprünge des hohen Herrn namens Jupiter geht, und echten Kleist, also Drama, Identitätsverwirrung und die hehre Frau, Alkmene, in ihrem Konflikt von unwissentlichem Ehebruch mit dem Göttervater und der Gefühlskälte ihres Mannes Amphitryon.

Das Ganze ist ein riesiges Täuschungsmanöver. Die feinen Herren aus dem Olymp, es ist noch Göttervaters Sohn Merkur dabei, treiben ihr grausames Spiel mit den Erdenmenschen – das tun sie ja immer sehr gerne, diese niederträchtigen Olympier! Da sitzen sie nun in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof an der Wand, und schauen zu, wie sich die beiden Männer mit einem Doppelgänger abplagen müssen. Die Götter setzen alle Tricks ein, aber von dem Schürzenjäger Jupiter kennt man das schon. War er nicht als Schwan bei Leda und als Stier bei Europa? Und hat er sich nicht anderen begehrenswerten Damen als Wolke genähert? Besonders fies ist sein Mittel der Täuschung bei Alkmene, der Gattin des siegreichen Feldherrn Amphitryon. Er verführt sie in dessen Gestalt, was zu einer heftigen Liebesnacht mit der Frau des Kriegshelden führt. Ein Gott müsste man sein!

Da gibt es eine Menge komischer Elemente in diesem Stoff, aber auch das Thema moderner Identitätskrisen und -probleme, die eine Inszenierung hier unter einen Hut bringen muss. Verena Buss schafft es, indem sie was von Molières Gesellschaftskomödie und von Kleists existenziellem Verwirrspiel nimmt. So kommt es dazu, dass Basel doppelt sieht – lauter Spiegelbilder. Das Ensemble zeigt bei diesem ganzen Figurengemenge eine gute Leistung.

Besonders Simon Grossenbacher, der sogar eine Doppelrolle spielen muss (was sich sonst zwei Schauspieler aufteilen): Er ist sowohl der göttliche Schwerenöter Jupiter als auch der heldische Hahnrei, was allerdings verdammt schwer auseinander zu halten ist (höchstens am unterschiedlichen Outfit). Vielleicht ein Tipp: als Amphitryon ist er ein Getriebener, Rasender, aus der Zeit Gefallener, seiner Identität Beraubter, verzweifelt komisch. Dora Balog als Alkmene („So früh zurück?“) darf mit sphinxhaften Blicken ganz in der Gefühlsverwirrung schwelgen und sogar zwei Mal ungarisch fluchen. Die Dienergattin (Kristina Nel) ist ein bisschen eifersüchtig auf ihre Herrin, springt lüstern herum und wäre nur zu gern selbst „Opfer“ eines göttlichen Techtelmechtels.

Noch mehr Verwirrung bringt das Doppel-Spiel von Stefan Uehlinger als Merkur/Sosias (eher ein Gemütsmensch denn ein quecksilbriger Götterbote) und Percy von Tomei als Sosias, der von daher kommt und dorthin geht und sich als alten Esel sieht. Sie schlüpfen in die Rolle des jeweils anderen, sind mal Sosias, mal Merkur, und streiten um die Bratwurst auf dem Tisch.

Lachen? Worüber? Über diese Tragikomödie? Die Regisseurin erkundet mehr die Kernproblematik des Doppelgängermotivs und das Bild, das man sich von sich und anderen macht. Verena Buss arbeitet stark mit Bildern und mit viel Musik und sieht die Bühne als Assoziationsraum. Ihre Inszenierung passt insofern bestens zum diesjährigen Theatermotto bei Förnbacher: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ u  Die nächsten Vorstellungen: heute, Donnerstag (B-Premiere), 26. und 31. Oktober. Infos unter www.foernbacher.ch

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