Basel. Das Literaturhaus Basel wird 15 Jahre alt. Seit 2008 ist Katrin Eckert Intendantin der Kulturinstitution in der Barfüssergasse 3 im Herzen der Altstadt. Gabriele Hauger unterhielt sich mit ihr über Ausrichtung, Zielsetzung und Wertschätzung des Literaturhauses.

Braucht Literatur ein eigenes Haus?

Auf jeden Fall. Literatur braucht zwar in erster Linie Leserinnen und Leser zuhause. Aber in einem Literaturhaus geht es schließlich nicht ums reine Lesen, sondern um Gespräche über die Literatur, um Debatten, Begegnungen. Ein fester Ort macht es sehr viel leichter, Literatur in die Stadt zu tragen, ein Stammpublikum aufzubauen und im Bewusstsein der Menschen und im Kulturleben der Stadt präsent zu sein. Es ist sicher kein Zufall, dass in den letzten 20 Jahren eine Unmenge an Literaturhäusern, Literaturbüros und ähnlichen Institutionen entstanden ist. Ein fester Ort für die Literatur – das hat sich bewährt.

Ist das Literaturhaus inzwischen in Basel verankert, und woher kommt das Publikum?

Ja, sehr. Natürlich ist der Besuch des Literaturhauses nichts für die ganz breite Masse. Aber den kulturinteressierten Baslerinnen und Baslern ist das Haus ein Begriff. Außer aus Basel kommen aber auch viele Interessierte aus der süddeutschen Region bis Freiburg, aber gelegentlich auch aus Bern oder Zürich.

Sie möchten das Haus für neue Bevölkerungsgruppen öffnen. Wen meinen Sie damit?

Mein Anliegen war es von Anfang an, ein möglichst gemischtes Publikum anzulocken. Wir versuchen das mit verschiedenen Angeboten: Bei fremdsprachigen Gästen versuchen wir, die entsprechende Comunity zu aktivieren. Außerdem habe ich kurz nach meinem Antritt die Kindernachmittage eingeführt. Das sind Vorlesenachmittage mit Gästen, richtig kleine Inszenierungen, sehr liebevoll gemacht. Regelmäßig sprechen wir zudem Schüler an, mit Schreibworkshops, Verlags- oder Drehbuchtagen. Vor allem versuchen wir seit zwei Jahren verstärkt, junge Erwachsene zu gewinnen, die selten ins Literaturhaus kommen.

Wie machen Sie das?

Wir haben einerseits die Reihe „Vorlaut“ gegründet, nach dem Modell der Vorgruppen in der Musik. Es kommen ganz junge Autorinnen und Autoren, die größtenteils noch nicht publiziert haben. Die stellen sich mit einer zehnminütigen Lesung vor und bringen meist auch junge Leute aus ihrem Bekanntenkreis mit. Da sind oft ganz neue, interessante Stimmen zu hören.

Außerdem gibt es die Sofa-Lesungen: Wir gehen mit jungen Autoren in Basler WGs. Das kommt super an, weil das natürlich eine extrem lockere Atmosphäre schafft. Da wird vorher Kuchen gebacken, Suppe gekocht, die WG-Gastgeber legen sich richtig ins Zeug. Jaroslav Rudis, der wirklich viel auftritt, hat dazu gepostet, die Basler Sofa-Lesung wäre die beste des Jahres gewesen.

Wie sind Sie mit den Räumlichkeiten des Literaturhauses zufrieden?

Das Schöne ist die Lage, zentral in Basel. Und das Café, wo man sich vor oder nach den Veranstaltungen zusammensetzen kann. Wünschenswert wären natürlich zusätzliche Räume, zum Beispiel eine Wohnung für unseren „Writer in Residence“ im gleichen Haus oder zusätzliche kleinere Räume für unsere Schreibkurse.

Wie finanziert sich das Literaturhaus?

Größte Geldgeberin ist die Christoph-Merian-Stiftung. Außerdem bekommen wir seit 2009 vom Kanton Basel-Stadt Subventionen. Diese Gelder fließen in unseren Trägerverein LiteraturBasel, der auch das Literaturfestival BuchBasel veranstaltet und mit dem SBVV den Schweizer Buchpreis vergibt. Zusätzlich gibt es Projektbeiträge, zum Beispiel von Stiftungen.

Wie sieht der klassische Literaturhaus-Besucher aus?

Der klassische Besucher ist eine Besucherin, außer bei Sachbuchvorstellungen oder politischen Diskussionen, zwischen 40 und 60, Menschen, die gerne lesen. Aber wir erreichen durch die oben beschriebenen Veranstaltungen auch ganz andere Schichten. Das funktioniert auch durch unsere vielen Kooperationen, zum Beispiel mit der Uni, Museen oder Festivals.

Welche Autoren laden Sie ein?

Ich richte mich stark nach der Aktualität. Die meisten vorgestellten Bücher sind Neuerscheinungen. Wichtig ist mir auch eine gute Mischung aus internationaler, nationaler und regionaler Literatur. Hauptkriterium ist, welche Bücher finde ich wichtig, relevant und lesenswert.

Wie schätzen Sie die Lage der Literatur insgesamt ein?

Die Lage für die Schweizer Buchhandlungen und Verlage ist unter anderem wegen des starken Franken extrem schwierig, was auch Auswirkungen auf die Literaturprodukion hat. Hingegen ist das e-Book eher für den Buchhandel eine Herausforderung Denn in welcher Form die Menschen lesen, ist uns ja egal. Hauptsache, sie lesen! Die Relevanz von Literatur sehe ich darin, dass man die Welt, auch aktuelle Konflikte und Kriege, eigentlich nicht versteht, wenn man nicht auch Bücher darüber liest. Erst die Verdichtung, starke Figuren und Geschichten machen emotional erfahrbar und nachvollziehbar, was die Entwicklungen und Ereignisse für einzelne Menschen oder ganze Generationen bedeutet. Ich bin daher zuversichtlich, dass das Lesen und damit auch ein Literaturhaus weiterhin wichtig und zukunftsträchtig sind.

Woher kommt Ihre persönliche Leidenschaft für die Literatur?

Wir bekamen schon als Kinder viel vorgelesen. Ich konnte schon vor der Schulzeit lesen und habe das auch immer ausgiebig getan. Mit Büchern kann man sich doch ganz neue Horizonte erschließen. Der Blick auf die Welt durch andere Augen, das Vielschichtige, das Auffächern von inneren Welten – all das ist unglaublich faszinierend und für mich unverzichtbar.

Zu der Feier 15 Jahre Literaturhaus: Was wird geboten?

Der Freitagabend gehört Peter Bichsel. Es freut mich sehr, dass er kommt, da können wir seinen 80. gleich etwas mitfeiern. Der Samstag bietet ab 16 Uhr ein gemischtes Programm: Erst ein Rückblick auf die Geschichte des Literaturhauses. Was waren damals bei der Gründung die Wünsche und Visionen, und wo stehen wir heute? Gut gefällt mir, dass es verschiedene Geburtstagsständchen von unseren Kooperationspartnern gibt: von der Musikakademie, dem Opernstudio, dem Sinfonieorchester oder dem Gare du Nord. Es soll locker und nett werden. Stolz sind wir auch auf unsere kleine Festschrift, die dabei vorgestellt wird: Ich habe 15 Autoren mit Texten beauftragt: Heitere Aussichten. Von Hochs und Tiefs im Literaturbetrieb“. Am Abend gibt’s dann Lesungen mit alten Freunden wie Klaus Merz und Annette Pehnt und schließlich einen lockeren Ausklang samt DJ.

Wenn Sie abends literaturerfüllt nach Hause kommen: Welches Buch liegt  auf Ihrem Nachttisch?

Es liegen dort immer mindestens zwei oder drei. Neben „Familienlexikon“ von Natalia Ginzburg, das ich in der Klassikerinnen-Reihe im Literaturhaus vorstellen werde, liegt dort auch „Der Sonnentempel – Literarische Reisebilder von Iwan Bunin“ - ein ganz wunderbares Buch.

Kurzinfo
Das Literaturhaus Basel wurde vor 15 Jahren gegründet. Es  ist das erste seiner Art in der Schweiz. Seit der Eröffnung im Jahr 2000 bietet  es öffentliche Lesungen, Diskussionsrunden, literarische Spaziergänge und andere Veranstaltungen an. Intendantin ist seit Oktober 2008.

Katrin Eckert studierte Germanistik, Geschichte und Literaturkritik in Zürich und Berlin, war Lektorin und PR-Verantwortliche. Sie ist einem breit gefassten Literaturbegriff verpflichtet und engagiert sich  für die Produktion und Vermittlung von Literatur. Gute Kontakte im Bereich des regionalen, nationalen und internationalen Literaturschaffens sowie des Verlagswesens sind ihr wichtig. Sie ist Schweizerin und wohnt in Basel und Zürich.

15-Jahr-Feier:
Freitag, 17. April, 19 Uhr:  Peter Bichsel: „Über das Wetter reden“ (Reservierung dringend empfohlen). Zur Einstimmung: Festrede von Hans Georg Signer (Präsident LiteraturBasel)
Samstag, 18. April, ab 16 Uhr: Ein Tag voller Literatur und Musik (Eintritt frei)