Von Veronika Zettler Basel. Im Juni feierte die Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse ihren 70. Geburtstag. Ein guter Anlass für das Literaturhaus Basel, um mit der in der Schweiz lebenden Autorin am Donnerstagabend in die neue literarische Saison zu starten. „Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen“, schreibt Hugo von Hofmannsthal im „Chandos-Brief“ aus dem Jahr 1902. Während für den damals 28-jährigen österreichischen Schriftsteller die zerfallenden Sprachteile ein Trümmerfeld und das Resultat einer schweren Schaffenskrise waren, bilden für die 70-jährige Zsuzsanna Gahse genau diese Teile ideale Schreibbedingungen. Je mehr in Teile zerfallene Teile, desto besser. Sie sind es, die der Autorin die „vielen Möglichkeiten des ernsthaften Spiels“ eröffnen. Literaturhaus-Intendantin Katrin Eckert hatte eingangs eine „Tour d’Horizon“ durch das vielfältige und (auch geografisch) weitläufige Werk von Zsuzsanna Gahse angekündigt, ein Überblick, der sich im Gespräch mit dem Schriftstellerkollegen Rudolf Bussmann entwickeln sollte. Was sich anbot, da Dialogstrukturen in den Büchern der Autorin eine wichtige Rolle spielen. Sei es der Dialog mit anderen Schriftstellern und Epochen, sei es der Dialog zwischen literarischen Figuren. Oder zwischen verschiedenen literarischen Gattungen. Deren enges Korsett aufzubrechen, ist für Gahse eine der größten Herausforderungen. Genregrenzen" „Ich habe mit 14 Jahren meinen letzten Roman geschrieben“, winkt sie im Literaturhaus ab. Gerade aber ihre in über 20 Büchern unternommenen Experimente unterwirft Zsuzsanna Gahse der strengen Form. „Jedes Buch ist ein eigener Körper“, betont sie. Ergebnis kann ein neues Versmaß sein, so wie im 2010 erschienenen Band „Donauwürfel“: Zehn Silben füllen eine Zeile, zehn Zeilen ein Quadrat, zehn Quadrate einen Donauwürfel. Ganz anders ihr neues Werk „Jan, Janka, Sara und ich“ (2015), das auch als Hommage an den Buchstaben „a“ gelesen werden will. Rudolf Bussman verglich das Unterfangen mit Jean Perecs „e“-freiem Roman „La Disparition“ – unter umgekehrten Vorzeichen zwar und ohne den radikalen Anspruch des Franzosen. Der Klang, ob eines einzelnen Buchstabens oder einer ganzen Sprache, auch er ist Forschungsgebiet von Zsuzsanna Gahse, die in ihrer „Südsudelbuch“ (2013) betitelten Sammlung von Reiseberichten, Erinnerungen, Anekdoten und Assoziationen augenzwinkernd die These aufstellt, es seien die in einer jeweiligen Sprache charakteristischen Laute, die schlussendlich die Gesichtszüge ihrer Sprecher formen. Ähnlich humorvoll streift sie dort die Theorie ihres früheren Mentors Helmut Heißenbüttel, wonach die Sprache die Logik des Denkens bestimmt. Heißenbüttel, über den Zsuzsanna Gahse gerade eine kleine Schrift veröffentlicht hat, ermunterte die Autorin Anfang der 80er Jahre dazu, sich wieder der ungarischen Muttersprache zuzuwenden und die Werke von Autoren wie Péter Esterházy und Péter Nádas ins Deutsche zu übersetzen. Die Übersetzungen wurden ebenso wie das literarische Werk von Zsuzsanna Gahse vielfach mit Preisen ausgezeichnet.