Von Elmar Vogt Basel. Heute besitzt man normalerweise zwei Namen: einen Vor- und einen Nachnamen. Während der Vorname als Rufname nur zur Bezeichnung einer einzelnen bestimmten Person verwendet wird, dient der Nachname zur Benennung ihres engsten Verwandtschaftskreises als Familienname. Diese Namenpragmatik erscheint heute als selbstverständlich, ja vielleicht sogar als eine natürliche Ordnung. Umso erstaunlicher ist der Blick in die Vergangenheit. Die Ursprünge unserer modernen Familiennamen liegen nämlich im Mittelalter. Im 12. Jahrhundert werden Personen nördlich der Alpen meist nur mit einem Rufnamen genannt, im 15. Jahrhundert wird dem Rufnamen stets ein zweiter Name hinzugefügt. Dieser entwickelte sich zum Familiennamen, was zu einigen Fragen sowohl theoretischer als auch kulturhistorischer Natur führt: Wie kann man beispielsweise den sprachlichen Forschungsgegenstand Familienname für eine historische Untersuchung überhaupt methodisch erfassen" Eine Arbeit von Jürgen Mischke konzentriert sich auf den Raum Basel als exemplarische, mittelgroße nordalpine Stadt des Mittelalters. Sie versucht die diachron besprochenen Schriftquellen (Darstellung der geschichtlichen Entwicklung einer Sprache), die genauen Wege, Formen und Mechanismen der Entfaltung von Zweitnamen zu Familiennamen und deren Verflechtungen zu anderen medialen Repräsentationen von Verwandtschaftsgruppen wie Wappen und Siegeln sichtbar zu machen. Die Forschungsliteratur zu Familiennamen in Basel ist überschaubar. Sie reicht aber zurück bis in die Frühzeit moderner Personennamenforschung. Friedrich Becker setzte sich bereits 1864 kritisch mit der damaligen Forschungsliteratur auseinander, betrachtete die kritische Prüfung regionaler Quellen als notwendige Voraussetzung wissenschaftlicher Resultate und fragte erstmals ganz explizit nach der Entstehungszeit und den Bedingungen für Familiennamen im Mittelalter anhand exemplarischer Befunde schweizerischer und rheinischer Städte. Die Hauptgründe für die Entstehung von Familiennamen seien seiner Art nach beim Blick in die Quellen ganz offensichtlich. „Die vorliegende Arbeit ist deshalb kein Namenbuch im klassischen Sinn, in dem sich mittelalterliche Familiennamen nachschlagen ließen. Sie lässt sich nicht direkt in eine Reihe stellen mit den bisherigen Darstellungen zu bestimmten Namenarten in Basel, die eine gewisse Tradition haben und auf ein populäres Interesse stoßen. Die Studie widmet sich vielmehr den Ursachen der festgestellten Symptome und den theoretischen Bedingungen zu deren Erkenntnis und Beschreibung“, schreibt der Autor Jürgen Mischke, der Geschichte und Germanistik an der Universität Basel studierte und mit der vorliegenden Arbeit 2014 promovierte. Die verdienstvolle Arbeit von Jürgen Mischke stellt eine große Leistung, das Thema selbst eine große Herausforderung dar. Die Anordnung der Anmerkungen unter dem Text erleichtert die Lektüre. Ein ausführliches Literaturregister und eine Anzahl weiterer, teilweise entlegener Quellen in den Anmerkungen sind eine wertvolle Fundgrube. Das Buch kann allen an der Namengeschichte interessierten empfohlen werden. n  Jürgen Mischke: „Familiennamen im mittelalterlichen Basel“, Kulturhistorische Studien zu ihrer Entstehung und zeitgenössischen Bedeutung, Basel: Schwabe, 2015, 422 Seiten, 58 Abbildungen, drei Grafiken, ISBN 978-3-7965-3464-5, 48 Euro