Basel Neugier mit „Spätfolgen“

Die Oberbadische
Wolfgang Bortlik lebt mit seiner Familie in Riehen. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Krimitipp: Nostalgischer Blick auf Anti-AKW-Bewegung

Von Irene Widmer

Riehen. „Curiosity killed the cat“ lautet ein englisches Sprichwort. Auch in Wolfgang Bortliks Krimi „Spätfolgen“ kostet die Neugierde den Protagonisten beinahe das Leben. Dabei will Melk Fischer nur den Tod seines Bruders Balz aufklären.

„Fischer hat Durst“ hieß 2009 der erste Fischer-Krimi, des in Riehen lebenden Bortliks. Der neue könnte gut „Fischer hat Hunger“ heißen: Denn Melk Fischer, abgehalfterter Journalist, geschieden und mit einer großen Begabung für Melancholie gesegnet, macht gerade eine Fastenkur. Das verursacht bei ihm unter anderem Flashbacks und Hellsicht, besonders in Zusammenhang mit dem Tod seines Bruders vor über 20 Jahren.

Den Stein ins Rollen bringt ein Auftrag für einen Hintergrundbericht über die Schweizer Anti-AKW-Bewegung der 70er Jahre. Melks Bruder Balz war ein führender Aktivist, deshalb sucht der Journalist in dessen schriftlichem Nachlass Material für seinen Artikel.

Er stößt auf ein Tagebuch, aus dem Seiten herausgerissen sind. Was noch da ist, zerstört Melks idealisiertes Bild von seinem Bruder: Statt fundierten umweltschützerischen und revolutionären Gedanken hat Balz nur wehleidiges, liebeskrankes „Lisalisalisa“-Gewinsel hinterlassen.

Melks Enttäuschung darüber passt gut in seine schwer gebeutelte Existenz: Dauernd regnet es, unentwegt werden ihm Velos geklaut. In der Vorstadt Riehen, wo er das Haus seiner Ex hütet, wird er bespitzelt. Jemand bricht ein und klaut aus dem Kühlschrank eine für die Katze bestimmte Niere.

Melk lernt die Begriffe „Kriminaltouristen“, „Dämmerungseinsteiger“ und „Schlafzimmerräuber“ kennen, die in seinem abgemagerten Gehirn Paranoia auslösen. Diese wiederum verstärkt seine alte Überzeugung, Balz sei ermordet worden, vermutlich von den stockbürgerlichen Schwiegereltern. Dank einer vergessenen Nichte, einer durchgeknallten Ex-Schwägerin und seinem Bruder Kaspar – die drei wurden tatsächlich Kaspar, Melchior (Melk) und Balthasar (Balz) getauft – löst Melk das Rätsel um Balz’ Tod. Es erschüttert seinen Glauben an den Helden seiner Jugend vollends.

Wäre da nicht die neue Gefährtin Maria Casaramone, Melk wäre nicht nur am Bodenzerstört, sondern tot. Als eine von vielen Stimmen in dem Buch – in dem unter anderem auch das Moos eine Zeugenaussage ablegt – charakterisiert sie Fischer als realitätsresistenten Romantiker. „Aber mit so einem Mann wird es einem nie langweilig“.

Tatsächlich ist der schräge Protagonist spannender als die Krimihandlung. Letztere krankt unter anderem an unbewirtschafteten Nebensträngen und karikierten Nebenfiguren. Auch der Humor ist mitunter etwas gewöhnungsbedürftig – beispielsweise die „Schamhaaresröte“ in Zusammenhang mit Intimrasur.u Wolfgang Bortlik: „Spätfolgen“, Gmeiner Verlag 2015, 246 Seiten

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