Basel Ohne ausländische Arbeitskräfte geht es nicht

Die Oberbadische
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Podium: Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutieren über Protektionismus und Zuwanderung

Von Michael Werndorff

In der Nordwestschweiz hat fast jeder dritte Erwerbstätige – rund 236 000 Personen – keinen Schweizer Pass. Wie gefährlich Abschottungstendenzen, die sich auch in der Schweiz breitmachen, für die Wirtschaft sind, war Thema einer von Metrobasel organisierten Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft.

Basel. Rund 73 000 Grenzgänger pendeln täglich in die Nordwestschweiz, wie Regula Ruetz, Direktorin des Thinktanks Metrobasel, am Montagabend erklärte. Die Unternehmen in der Region seien auf diese Arbeitskräfte und jene aus Drittstaaten dringend angewiesen, verwies sie unter anderem auf das Funktionieren des Wirtschaftsstandorts und den demografischen Wandel, der Gesellschaft und Unternehmen vor zunehmende Herausforderungen stellt. Mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) in Form des „Inländervorrangs light“ sei jetzt eine Möglichkeit gefunden worden, die Bilateralen Verträge nicht zu verletzen. Für Firmen und Behörden bedeute der Inländervorrang allerdings einen hohen administrativen Aufwand, der sich auch finanziell negativ auswirken werde.

Und erschwerend kommt hinzu, dass die Schweizerische Volkspartei (SVP) schon mit der nächsten Initiative in den Startlöchern stehe, und zwar mit dem Ziel, die Personenfreizügigkeit aufzukündigen, weil die Zuwanderung laut Partei bereits jetzt ein nicht mehr akzeptables Niveau erreicht habe.

Ruetz warnte vor weiterer Abschottung, schon jetzt verliere die Schweiz an Attraktivität, und die Diskussion um Schutzmechanismen sorge bei Unternehmen für Unsicherheit. Den Dichtestress, den die Zuwanderung bringe, könne man allerdings nicht wegdiskutieren.

Diskussionspartner Mario Gattiker, Staatssekretär im Staatssekretariat für Migration, erklärte im Rahmen seines Referats, dass die Schweiz ein Einwanderungsland par excellence und die Frage nach der Steuerung der Zuwanderung in Bundesbern ein Dauerthema sei, bevor er einen Blick auf Integration, die Migrationsbewegungen seit den 1960er-Jahren sowie auf Aspekte der verschiedenen Arten von Zuwanderung, wie den Familiennachzug, warf.

Die Zuwanderung, die entweder über die EU-Personenfreizügigkeit oder bei Drittstaaten per Kontingent erfolge, sei konjunkturabhängig, erklärte der Gast aus Bern, wobei überwiegend Hochqualifizierte kommen würden. Armutsmigration gebe es – anders als in Deutschland – praktisch nicht mehr. „Bei Wirtschaftsflüchtlingen müssen wir eine harte Haltung zeigen“, forderte Gattiker.

Für den Staatssekretär stand fest, dass eine Begrenzung der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt grundsätzlich falsch sei, diese aber nicht akzeptiert werden könne, wenn etwa Arbeitsbedingungen dadurch schlechter würden und der Lohndruck steige. Die Diskussion um die Förderung des Inländerpotenzials sei überdies richtig, schließlich habe das Volk den Auftrag gegeben, die Zuwanderung zu begrenzen. Falsch wäre es, den Inländervorrang als Bürokratiemonster abzustempeln, warnte Gattiker.

Lukas Reimann, SVP-Nationalrat und Präsident der Aktion für eine unabhängige Schweiz, hob hervor, dass eine flexible Lösung wichtig sei, diese aber keinesfalls missbraucht werden dürfe. Andernfalls würden die Schweizer eine noch striktere Initiative annehmen, formulierte er die Notwendigkeit, die Einwanderung strikt zu begrenzen. Und: Sollte England nach dem Brexit in zwei Jahren die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger beenden, müsse die Schweiz nachziehen.

Weitere Forderungen zu stellen, sei falsch, befand indes Thomas Bösch, Leiter Personalgewinnung von Novartis, schließlich könne die Schweiz nicht in Isolation leben. Die Unternehmen würden bereits mit Augenmaß Personalpolitik betreiben und zudem gemeinsam mit Universitäten in die Ausbildung von Nachwuchskräften investieren.

Die richtigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, forderte Christoph Brutschin, Vorsteher des baselstädtischen Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Dabei sei es wichtig der Bevölkerung zu erklären, weshalb die Zuwanderung gebraucht werde.

Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse machte nochmals deutlich, dass besagte Initiativen für den Schweizer Wirtschaftsstandort ein Problem darstellen würden. „Wir leben in einem Zeitalter, in dem der Protektionismus um sich greift, und das bereitet mir beim Blick in die Zukunft Sorgen“, so Minsch. Bisher habe man die Klippen noch umschiffen können.

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