Basel Schicksal eines Exilanten in bedrohlicher Zeit

Die Oberbadische
Der Basler Autor Alain Claude Sulzer bei der Buchvernissage im Literaturhaus. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Ausverkaufter Saisonauftakt im Literaturhaus Basel mit Alain Claude Sulzer

Von Jürgen Scharf

Basel. Er wird als eleganter Stilist gerühmt und macht diesem Ruf in seinem neuen Roman alle Ehre: Der 1953 in Riehen geborene Alain Claude Sulzer, der mit seinem letzten Roman „Aus den Fugen“ für den Schweizer Buchpreis nominiert war, und dessen Buch „Ein perfekter Kellner“ zu einem großen Romanerfolg wurde. Bei der am Donnerstag zur Saisoneröffnung im Literaturhaus Basel präsentierten Schweizer Buchpremiere seines neuesten Romans „Postskriptum“ zeigt der auf der SWR-Bestenliste stehende, in Basel, Berlin und im Elsass lebende Schriftsteller, was er kann.

Sulzers neunter Roman entwickelt einen großen Sog, wie Literaturhaus-Intendantin Katrin Eckert feststellte. Sulzers ausgefeilte Figurenkonstellationen würden sich auch in dem neuen Roman finden, der psychologisch interessant sei, mit viel historischen Details aufwarte und virtuos erzählt sei, was bei Sulzer dazugehöre.

Die Literaturkritikerin Ursula März, eigens aus Berlin angereist, war des Lobes voll über den neuen Roman, der sie vom Stil her überzeugte. Doch Stil ist sicher nicht alles, Handlung ist ebenso wichtig. In diesem Fall geht es um einen umschwärmten Filmstar der frühen 1930er Jahre, der kein Komiker war, kein Kerl wie Hans Albers, aber vielleicht doch mit Rühmann vergleichbar, einer, der Liebhaber spielt und selber einer ist, ein Idol: Lionel Kupfer, Jude, homosexuell, erotisch abhängig von dem zwielichtigen Kunsthändler Eduard, seinem schönen jungen Liebhaber.

Neben dieser ungleichen Liebe gibt es noch eine ungleiche Männeraffäre mit dem 24-jährigen schwärmerischen Walter, einem jungen Postbeamten, der den Filmstar anbetet. Kupfer bereitet sich im berühmten Hotel Waldhaus in Sils Maria auf seine nächste Rolle vor. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Der Schauspieler gerät in die Wirren der europäischen Katastrophe, sein Filmvertrag wird aufgelöst, er kehrt nicht mehr nach Deutschland zurück, wird hier nie mehr einen Film drehen, sondern emigriert nach New York und muss seine Liebhaber zurücklassen.

Hier überspringt der Roman die Zeit nach 1933 und geht erst 1947 weiter, was Ursula März auffiel, aber dem Autor nicht als „Loch“ vorkommt. Der berühmte Regisseur Luchino Visconti holt Kupfer aus den USA für einen Film zurück, in dem er es sich selber spielt – die kurze Szene wird allerdings herausgeschnitten.

So viel in Kürze zum Inhalt dieses Buches, das ein viel bearbeitetes Thema in der Literatur vom Rand her beleuchtet: die nationalsozialistische Herrschaft. Und es ist Sulzer sicher gelungen, wie man an den Ausschnitten aus drei Kapiteln hören konnte, das Schicksal eines Exilanten in bedrohlicher Zeit und die Einsamkeit des Exils auf die literarische Bühne zu holen. Dem ausgezeichneten Erzähler Alain Claude Sulzer ist mit diesem neuen Roman, der ein Zeitgemälde ist, einmal mehr ein Musterbeispiel eleganten Schreibens gelungen, mit guten Übergängen, melodischem Fluss und sprachlicher Brillanz.

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