Basel Sieben Frauenbilder

Die Oberbadische
Angelika Overath signiert ihren neuen Roman „Sie dreht sich um“. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Saisoneröffnung im Literaturhaus Basel mit Angelika Overath

Von Jürgen Scharf

Basel. Die Saisoneröffnung im Literaturhaus Basel am Donnerstag war gleichzeitig Buchpremiere: Die aus Karlsruhe stammende Schriftstellerin Angelika Overath, die in Graubünden lebt, von Haus aus Reporterin und Literaturkritikerin, stellte ihren neuen Roman „Sie dreht sich um“ vor. Bekannt wurde sie mit ihrem Roman „Flughafenfische“, der für den Deutschen und Schweizer Buchpreis nominiert wurde.

Overath wird als „leserfreundliche Autorin“ beschrieben; was sie schreibe, sei einladend, meinte Moderator Iso Camartin. Auch Literaturhaus-Chefin Katrin Eckert schwärmt von Overaths „betörendem Stil, den wir alle so lieben“ und von ihrer guten Beobachtungsgabe, die sie in die Sprache umsetzen kann.

Ausgangsplot Seitensprung

Da Overath auch Interesse an Malerei hat, bot sich für den neuen Roman geradezu an, eine Synthese zu versuchen. Dabei ist der Ausgangsplot noch am wenigsten interessant und abgegriffen: Seitensprung. Bekanntes Motto: Mann betrügt Ehefrau mit junger Kollegin. Das kennt man ja aus jedem zweiten Frauenroman. Aber Overath wäre nicht Overath, wenn sie diesen Seitensprung nicht als Ausgangsposition für eine raffiniert eingefädelte Selbstfindungsgeschichte einer Frau um die 50 nehmen würde. Es geht um Ehe-, Berufs- und Alterskrise, um eine typische Midlife-Crisis.

Die frisch verlassene Journalistin namens Anna reagiert auf den Affront ihres Mannes, indem sie einfach ins Flugzeug steigt und irgendwohin fliegt. Es ist zufälligerweise das schottische Edinburgh. Sie geht dort in die National Gallery und sieht ein Bild von Gauguin, das sie schon als Kunstpostkarte kannte und das zu ihrer jetzigen Gemütslage passt: „Jakobs Kampf mit dem Engel“. Es erzählt ihr etwas. Das Bild spricht.

Anna spielt ein Spiel: Die Bilder schicken sie immer in die nächste Stadt. Es schließen sich noch sechs weitere solcher Museumsbesuche weltweit an, Paris, St. Moritz, Kopenhagen und auch Boston, wo sie vor Edward Hoppers „Frau am Fenster“ steht. Auch Frau Hopper erzählt etwas über ihren Maler-Gatten. Hier spricht Frau zu Frau.

Bei Gauguin ist es ein bretonisches Bauernmädchen, das von hinten zu sehen ist. Die Frau am Fenster auch. Es sind immer Frauen ohne Gesichter, die diese Maler in Rückenansichten zeigen. Frauen, die sich umdrehen. Es ist das große Thema Aufbruch, Weggehen, am Nullpunkt wieder anfangen, zu sich kommen, sich neu finden, „sich wegschauen“, wie es die Autorin ausdrückt – also die klassischen Lebenssinnfragen.

Overath verknüpft diese Grundsituation mit sieben Kunstwerken und Bildergeschichten. Das ist ein guter schriftstellerischer Trick. So gelingt es ihr, ihre Protagonistin Anna aus der Krise wieder voranzubringen. Die Bilder werden zu Schrittmachern, zur Lebenshilfe, zu Trost. Die Bilder sind für sie wie Freundinnen.

Es ist also auch ein kleiner Entwicklungsroman, und diese Frauenfiguren aus der Kunst sind vielleicht sogar ein Alter ego der erzählenden Person Anna. Es gibt spannende Bildbeschreibungen in diesem neuen Buch, die Angelika Overath als bilderfahren und bildvertraut ausweisen, und man kann viel über Frauenliebe- und leben wie auch über Kunstgeschichte lernen.

Der Verleger hat schon davon abgesehen, die sieben Frauenbilder abzudrucken. Da war es schade, dass man sie nicht wenigstens bei der Autorenlesung als Projektion gesehen hat.

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