Basel Wenn eine Tasse zum Berg wird

Die Oberbadische

Über die Faszination Figurentheater: Basler Festival rund um den Münsterplatz

Basel. Sinnlich und spektakulär wird die achte Auflage des Basler Figurentheaterfestivals am 16. September abends eröffnet. Eine acht Meter große Riesenmarionette wird eine Reise über den Münsterplatz machen und die Geschichte des Menschen versinnbildlichen, der marschiert, strauchelt, kniet, wieder aufsteht. Ein Auftakt, der Appetit auf mehr machen soll. Und das Festival hat viel zu bieten: 14 internationale Produktionen an verschiedenen Spielorten, fast alle rund um den Münsterplatz gelegen, wollen den Zuschauer das Figurentheater neu entdecken lassen. Kuratiert wird das Festival erstmals von Kathrin Doppler sowie Marius Kob, mit dem sich Gabriele Hauger unterhielt.

Was macht die Faszination des Figurentheaters aus?

Zum einen der Perspektivenwechsel. Im Figurentheater kann ein Objekt etwas ganz anderes darstellen, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Aus einer Tasse kann ein Haus werden, aus einer Kanne ein Berg. Dabei wird so viel mehr erzählt, als dass nur die Bedeutung des Objekts verändert wird. Das ist sehr facettenreich und bietet dem Zuschauer unglaublich viele Möglichkeiten, die Dinge in neuem Licht zu betrachten.

Der zweite Punkt ist, dass hier Dinge verlebendigt werden, etwas, das eigentlich steif und tot ist, erwacht zum Leben und kann Geschichten erzählen.

Das Festival bietet viel für Kinder schon ab vier Jahren an. Braucht es im Zeitalter der Reizüberflutung durch die Medien heute mehr, um Kinder mit Figurentheater zu begeistern?

Die Faszination funktioniert. Denn diese Momente der Verlebendigung passieren ja sozusagen live vor den Kindern. Das ist schon etwas anderes, als einen Animationsfilm anzuschauen. Man glaubt dem Objekt auf der Bühne, dass es jetzt da ist, dass es lebt und spricht. Das fasziniert Klein und Groß gleichermaßen.

Bei Figurentheater denken viele nur an Marionetten.

Figurentheater ist so viel mehr als nur Puppenspiel. Aber es stimmt schon: Diese Reduzierung ist noch in vielen Köpfen präsent. Um so besser, wenn wir mit dem Festival die große Bandbreite dieser Theaterform zeigen können und gleichzeitig ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten. Wir erleben oft, dass bei den Familienvorstellungen die Eltern dermaßen überrascht über die Kreativität der Szene sind, dass sie Appetit auf mehr bekommen und dann auch die Erwachsenen-Vorstellungen besuchen.

Wie sind Sie zum Figurentheater gekommen?

Ich war Anfang 20, als mir klar wurde: Ich muss Theater machen! Es gibt keine Alternative. Das ist meine Passion.Irgendwann sah ich dann eine Puppenspielerin, die eine kleine Drehbühne hatte, das Bühnenbild hat sich ständig gewandelt, neue Dinge kamen hinzu und verschwanden. Faszinierend! Ich habe mich näher mit dem Figurentheater beschäftigt und festgestellt, dass Figurentheater eigentlich die breiteste Form von Theater ist und viele spielerische Herangehensweisen erlaubt.

Wie haben Sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Kathrin Doppler das Festival konzipiert?

Ein Anliegen ist die Breite und Vielfalt mit verschiedenen Formaten zu präsentieren: Vorstellungen für Erwachsene, für Kinder, für die ganze Familie. Dazu Kurz- und Langstücke sowie Ausstellung und Installation. Da es aber so unglaublich viele Formate gibt, haben wir thematische Schwerpunkte gesetzt: Der eine steht unter dem Stichwort Installation und Theater. So zeigen die RaumZeitPiraten aus Deutschland eine Ausstellung im Museum der Kulturen. Objekte werden dabei von kinetischen Lichtmaschinen in Szene gesetzt, animiert und mit Exponaten aus dem Museum verflochten. Es entsteht eine begehbare Rauminstallation, die den Besucher in ein surreales Universum aus Licht und Schatten eintauchen lässt. Ein spannender Ansatz, der von den Künstlern speziell fürs Festival entwickelt wurde. Ein schönes Expertimentierfeld.

Und der zweite Schwerpunkt?

Der zweite Schwerpunkt heißt Partizipation. Der Zuschauer soll mehr miteingebunden werden, zum Beispiel über die oben beschriebene Installation mit seinen eigenen Assoziationen. Aber auch durch die Möglichkeit, an zwei Workshops teilzunehmen. Die Teilnehmer können mit zuvor selbst konstruierten Lichtangeln durchs abendliche Basel ziehen und dabei Gassen oder Hinterhöfe erkunden und verwandeln und ihre Lichtangeln auf die Häuser projizieren – eine Art temporäres Licht-Graffiti.

In einem zweiten Workshop besteht die Möglichkeit, nach dem Stück eine eigene Puppe zu bauen. Der Zuschauer kann über diese Angebote an der Welt des Figurentheaters teilnehmen.

Auch ohne Eintrittskarte bieten Sie einiges, oder?

Ja , dazu bietet sich der Münsterplatz ja an. Am Eröffnungsabend gibt es die spektakuläre Riesenmarionette des Straßentheaterspektakels Venus. Wir hoffen, dass dieses tolle Erlebnis eine Magnetwirkung entfaltet und weitere Zuschauer zu den Aufführungen lockt.

Was sind Ihre Höhepunkte?

Als künstlerischer Leiter freue ich mich natürlich auf alle Stücke. Besonders neugierig bin ich auf den Kurzstückabend. Das wird sehr speziell, weil man ganz viele Figurentheater-Formen auf einmal erlebt. Am 18. September wird auf einem Parcours mit fünf aufeinanderfolgenden Stationen ein spannender Überblick geboten. Mit dabei sind „Jeff and Kim“, eine raffinierte singende Doppelmaske, „Ma biche et mon lapin“, ein Theater ohne Worte ab neun Jahren, das große Gefühle mit alltäglichen Gegenständen auf die Bühne bringt, „Carrousel“, in dem eine Frau versucht, ihrem geisttötenden Alltag durch viel Fantasie zu entkommen, das durchgeknallte Spektakel „Dans l’atelier“ und die vielversprechende „Schweini’s vegane Kochshow“.

Toll wird sicher auch die Kombination aus Theater und Livestream „Katastrophe“ aus Spanien im Scala am 19. September: Hier werden menschliche Katastrophen mittels Kameras, Sichtachsen, Modellen, Zahnbürsten Gummibärchen, Performern und chemischen Effekten dargestellt. Wenn das nicht vielversprechend klingt!

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading