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Basel „Wie ein schlimmes Erdbeben“

Die Oberbadische

Basler Politik und Wirtschaft fürchten Folgen der Euro-Mindestkurs-Aufhebung / Mehr Einkaufstourismus

Von Marco Fraune

Basel. Die Basler Regierung und die Wirtschaft sind gestern von der Entscheidung der Schweizer Nationalbank (SNB), den Euro-Minstestkurs aufzuheben, überrascht worden. Erwartet wird nun, dass der Detailhandel wegen des voraussichtlich zunehmenden Einkaufstourismus weiter unter Druck gerät. Negative Folgen für exportorientierte Unternehmen werden ebenso befürchtet.

Der vor etwa drei Jahren eingeführte Euro-Mindestkurs ist seit gestern Morgen Geschichte. Eine Bewertung der SNB-Entscheidung fiel dem Vorsteher des Departements für Wirtschaft von Basel-Stadt, Christoph Brutschin, in einer ersten Stellungnahme schwer. Auf jeden Fall sei die Entscheidung „sehr überraschend“ gekommen.

Bei den Auswirkungen auf die Basler Wirtschaft differenziert Brutschin klar: „Je höher der Exportanteil, je größer der Anpassungsbedarf und damit die Herausforderungen.“ Eine gewisse Milderung könne sich dort ergeben, wo Vorleistungen aus dem Euro-Raum stammen, da diese günstiger würden. Ob der Einkaufstourismus ein noch größeres Ausmaß annimmt, könne man zudem „nicht ausschließen“, erklärt Brutschin gegenüber unserer Zeitung.

Hart mit der Schweizer Nationalbank ins Gericht geht Gabriel Barell, Direktor Gewerbeverband Basel-Stadt. „Die Entscheidung der SNB ist wie ein schlimmes Erdbeben. Die Auswirkungen dieses Schocks treffen die Unternehmen in der Grenzregion Basel überdurchschnittlich heftig.“ Sein Verband gehe davon aus, dass der Euro-Kurs signifikant tiefer sein wird als zuvor.

Als Folge würden die Importpreise zwar sinken, was auch zu tieferen Preisen bei Schweizer Händlern führen könne, die im Euro-Raum einkaufen. Aber: „Gesamthaft werden die negativen Auswirkungen um ein Vielfaches schlimmer sein.“

Sowohl der Einkaufstourismus als auch der Besuch von Gaststätten jenseits der Grenze nimmt Barell ebenso in den Blick. „Der Auslandkonsum wird weiter zunehmen.“

Allgemein werde die Situation für die Wirtschaft – zum Beispiel für den Exportbereich, den Detailhandel, den Tourismus – „extrem schwierig“. Aber auch das Bauhaupt- und Baunebengewerbe sei massiv betroffen. Barell: „Der Druck der ausländischen Firmen ist jetzt schon hoch, und die Margen sind aufgebraucht.“

Als Reaktion müssten die Überregulierung für die hiesigen Unternehmen nun endlich reduziert sowie die hohe Steuer- und Abgabebelastung weiter gesenkt werden, fordert der Basler Gewebeverband. „Ansonsten gefährden die unfairen Rahmenbedingungen endgültig die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft.“ Zugleich verweist er darauf, dass die KMU rund zwei Drittel aller Arbeits- und Ausbildungsplätze anbieten und substanziell zum Steuersubstrat sowie den Sozialabgaben beitragen.

„Der Detailhandel wird durch den Einkaufstourismus wieder verstärkt unter Druck kommen“, glauben Direktor Dr. Franz A. Saladin und die weiteren Verantwortlichen der Handelskammer beider Basel. Die HKBB erachtet die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze durch die SNB aber „als konsequent und richtig, wenn der Schritt zum heutigen Zeitpunkt auch überraschend kommt“, wie es in einer Stellungnahme heißt.

Die Aufwertung des Schweizer Frankens um rund 15 Prozent stelle die Schweizer Exportwirtschaft erneut vor größere Herausforderungen und reduziere deren Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld, so Saladin. „Es bleibt zu hoffen, dass die sprunghafte Aufwertung direkt nach Bekanntgabe ein Überschießen darstellt und nicht in dieser Ausprägung anhält.“

Die Region Basel sei als Grenzregion und als wichtigste Exportregion der Schweiz besonders von der Aufwertung des Schweizer Frankens betroffen. Saladin: „Unsere Region ist jedoch äußerst wettbewerbsfähig und steht dank ihrer hoch wertschöpfenden, auf Innovation beruhenden Branchenstruktur unter einem geringeren Kostendruck.“

Ein Punkt, der von der HKBB ebenso betont wird: Durch die Aufhebung des Mindestkurses verringere sich die für Unternehmen wichtige Planungssicherheit. „Doch die Entscheidung der SNB, diesen aufzugeben und wieder zu einer eigenständigen, vom strukturschwachen Euroraum abgekoppelten Geldpolitik zurück zu kehren, ist konsequent und richtig.“

Welche Auswirkungen der veränderte Wechselkurs auf den Tourismus haben wird, bleibt abzuwarten. Daniel Egloff, Direktor von Basel Tourismus, weiß aber auch: „Basel ist in erster Linie eine Messe- und Kongressstadt und daher weniger vom Freizeittourismus abhängig als beispielsweise eine Bergregion.“ Außerdem sei man am Rheinknie aufgrund des schwachen Euro bereits einen gewissen Konkurrenznachteil gewohnt und würde besonders an den Wochenenden attraktive Übernachtungsangebote anbieten. „Aber wir hoffen natürlich, dass der Preisdruck nicht noch weiter zunimmt und warten gespannt, wie sich die Situation entwickeln wird“, erklärt Egloff auf Anfrage.

Eine Prognose für die Zukunft fällt auch laut dem Basler Wirtschaftsminister Christoph Brutschin schwer. Die weitere Entwicklung sei schwierig zu beurteilen. „Viel hängt davon ab, ob und wie die Schweizer Wirtschaft sich diesen abrupt und substanziell geänderten Rahmenbedingungen anpassen kann.

u siehe auch Berichterstattung auf unseren Seiten „Lörrach“ und „Weil am Rhein“

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