Von Jürgen Scharf Riehen. „Die Teenager“, „Die Stadtmenschen“: Bilder von Gustav Stettler, einem Basler Hell-Dunkel-Maler der Nachkriegsgeneration, die sich auf Initiative von Max Kämpf 1948 zur Künstlergruppe „Kreis 48“ zusammenschließen. Thema dieser „verlorenen Generation“, die eine oder zwei Weltkriege hinter sich hatte, ist die menschliche Existenzgrundlage und das Menschenbild schlechthin. Jetzt erinnert die Gemeinde Riehen unter dem von Camus entlehnten Titel „Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt“ mit einer umfangreichen Retrospektive an diese Künstlergruppe, wobei der Ausstellungsort, der Kunst Raum Riehen, der sonst mehr der experimentellen und avantgardistischen Kunst zur Verfügung steht, überrascht. Denn die 16 Kunstschaffenden des „Kreis 48“, Maler, Zeichner, Bildhauer, die im Gründungsjahr gleich in der Galerie Beyeler ausstellen, sind der Gegenständlichkeit und Figürlichkeit verpflichtet. Es ist Zeitkunst. Die meisten Werke sind der Zeitströmung verhaftet. Schließlich sind diese Künstler Zeitzeugen der Kriege gewesen, was sich bei Stettler und Kämpf in einer dunkeltonigen Malerei, meist grauen Farbpalette und sehr verhaltener Stimmung und ernsten Gesichtern ausdrückt. Nicht ungefähr nannte man die beiden Künstler „die Graumaler“. Es ist also mehr eine museale Ausstellung, aber eine mit sehr qualitätsvoller Kunst; besonders die Figurenbilder und Porträts von Stettler sind ansprechend. Ein Ölbild wie „Die Stadtmenschen“, zwei düstere Männerköpfe und eine unheimlich weißliche Frau mit Kind vor einer Häuserperspektive, in der Kriegszeit entstanden, zeigt etwas Bedrohliches. Der absolute Melancholiker ist aber Max Kämpf, Kopf und Spiritus rector der Gruppe. Man betrachte nur sein ernstes Selbstbildnis. Der Maler, der aus schwierigen Verhältnissen stammte, verarbeitete dies in Bildern, die Einsamkeit, Schwermut und Tristesse verströmen. Auch nicht gerade fröhlich wirken die „Frau am Fenster“ und das „Kranke Mädchen“ von Karl Glatt, die Einflüsse des Expressionismus erkennen lassen. Von dem bedeutenden Maler Glatt stammt auch das wandfüllende Gemälde „Atelier“, in dem man glaubt Picasso zu entdecken. In der Art von Figurinen gemalt sind Glatts Variationen von „Valery im Kostüm als Harlequin“. Man sieht viel Figuratives und Porträts wie die anmutigen Mädchenantlitze von Johann Anton Rebholz und wenige Akte wie der schmale graue Mädchenakt von Kämpf. Von den Bildhauern der Gruppe entdeckt man Skulpturen in klassisch-akademischer Manier von Peter Moillet, der in diesem Jahr als letztes Gruppenmitglied im hohen Alter von 95 Jahren verstorben ist. Moillet hat auch seinen Malerkollegen Glatt in Bronze porträtiert. Abstrahierter, skurriler, teils kubistisch, ein bisschen in Richtung Giacometti gehend und formal ungewöhnlicher sind die Plastiken wie der dürre „Zeitungsverkäufer“ von Theo Lauritzen. In dieser Retrospektive wird folglich ein Stück regionaler Kunstgeschichte aufgearbeitet. Dazu ist eine umfangreiche Monografie erschienen, die erste Publikation über diese bis in die 80er Jahre existierende Künstlergruppe, mit vielen Beiträgen und Einzelporträts der Künstler, sowie einer Vorzugsausgabe mit Originalen, die man sich in der Ausstellung auswählen kann. Kuratorin Katharina Dunst stellt die Exponate aus dem Kunstbesitz der Gemeinde, der Sammlung des Kunstkredits Basel und privaten Leihgebern in einen persönlichen und kunsthistorischen Kontext, und so geben die von den Künstlern selbst gestalteten Plakate und Fotografien von Kurt Wyss aus den Ateliers Einblick in das Schaffen der „48er“, wie sie auch genannt wurden. n Bis 11. September, Mittwoch bis Freitag 13-18, Samstag/Sonntag 11-18 Uhr. Die Finissage und eine Führung mit der Kunsthistorikerin Maria Becker findet am Sonntag, 11. September, 11 Uhr, statt.