Allein die Art, wie Skride im ersten Satz mit einem subtil eingeführten dritten Thema das zweite gleichsam außer Gefecht setzt, ist feinste Gestaltungskunst. Der Mittelsatz: ein Traum, den eine kurze, kaum bemerkbare Unsicherheit des Orchesters zu Beginn nicht am Schweben hindert. Und geradezu mustergültig demonstriert das Final-Rondo Einigkeit zwischen Geigerin und Orchester: Man tänzelt schnell miteinander, hält inne, um gemeinsam zu singen, und immer wieder halten die Partner in exakter Übereinstimmung den Atem an.
Dass der Wiener Kritiker Eduard Hanslick, der bei der ersten Aufführung von Anton Bruckners siebenter Sinfonie in seiner Heimatstadt nur „unabsehbares Dunkel“ vernahm, Ähnliches auch über Andris Nelsons’ Interpretation geschrieben hätte, darf man bezweifeln: Schließlich legt der Dirigent hier frei, wie klar und logisch Formen und Strukturen in diesem Stück angelegt sind, und man kann hören, wie sich Melodien bei Bruckner zwingend aus Harmonien ergeben. Das lebt, das bebt, und zwischen den Pianissimo-Streichertrillern des Beginns und dem Rondo-artigen Schlusssatz wogt der Klang in klaren Konturen auf und ab.
Nelsons formt ihn mit beweglichen Gesten. Im Orchester muss jeder Musiker denken, dass dieser Dirigent genau ihn am allerliebsten hat: so akribisch zeichnet Nelson in die Luft, was er hören will, und so sicher darf man sich sein, dass dort, wo er dies nicht tut, intensive Probenarbeit seinem Loslassen-Können vorangegangen ist. Spannungsaufbau funktioniert über sublime Veränderungen von Tempi und Dynamik. Der zweite Satz ergreift, hat aber nichts Weihevolles, und so wie schließlich im letzten Satz die Dissonanzen im Blech geschärft und die Spannung über die große Generalpause hinweg gehalten (und ausgehalten) wird: Das ist wirklich groß. Was für ein Ende!