Gastronomie in Schopfheim Hurlibaus-Wirtin Sonja Dede sagt Adieu

Gudrun Gehr
Sonja Dede (rechts) und ihre Tochter Aline schwangen lange Jahre das Zepter im Hurlibaus. Foto: Gudrun Gehr

Die langjährige Chefin des „Hurli“ gibt Zapfhahn, Zepter und Teppichklopfer ab: Am Ostersonntag hat die Beiz ein letztes Mal unter ihrer Ägide geöffnet. Der Abschied fällt den Stammgästen und auch der Wirtin selbst nicht leicht.

Betrübte Gesichter der anwesenden Gäste zeigten sich beim Pressetermin in der Schopfheimer Kultkneipe „Hurlibaus“ – benannt nach dem historischen Stadtgeschütz. Die Beiz wird – zumindest unter der Regie von Sonja Dede – am Ostersonntag um Mitternacht zum letzten Mal ihre Pforten schließen – zum großen Bedauern ihrer oft langjährigen Gäste.

Unfreiwilliger Abschied

Auch die Wirtin inmitten ihrer Gäste beim Frühschoppen am Tresen ist traurig, denn so richtig freiwillig erfolgt der Abschied – noch – nicht. Sie sagt: „Eigentlich wollte ich bis Mai weiter wirten, um hier am 8. Mai noch meinen 70. Geburtstag mit meinen Gästen zu feiern.“ Seit 2012 ist sie selbständige Gastwirtin im „Hurli“; zuvor arbeitete sie bereits jahrelang als Angestellte hinter dem Tresen der Kneipe. Nunmehr hat aber der Eigentümer des Gebäudes zum Monatsende gekündigt und möchte einen anderen Pächter einsetzen.

Sonja Dede ist konsterniert: „Ich weiß nicht, wer das sein soll, er hat sich bislang nicht vorgestellt. Auch Absprachen über den Verbleib des Inventars konnte ich daher nicht treffen.“ Auch eine neue Wohnung muss sie sich infolge der Kündigung suchen.

Leben für die Gastronomie

Seit ihrem 18. Lebensjahr hat die junggebliebene Wirtin in der Gastronomie von Schopfheim gearbeitet, früher im „Derby“, dann im „Engel“ oder in der „Linde“. Alle Gaststätten hat sie überdauert. An Wochenenden hilft ihre 33-jährige Tochter Aline.

Die Gäste in der urigen Beiz fürchten einhellig, dass ihnen nun ein Stück liebgewordene Heimat wegbricht. Eine Besucherin fährt jeden Morgen von Zell im Wiesental mit dem Zug nach Schopfheim in die Kneipe. Ein anderer Gast sagte: „Hier ist es wie in Peter Alexanders Lied von der kleinen Kneipe in unserer Straße.“ Genauso wie im Lied frage hier keiner, was man hat oder wer man sei. Hier finde sich ein bunter Querschnitt an Besuchern als Spiegelbild der Gesellschaft ein, vom Rechtsanwalt bis zum Obdachlosen. Die Stimmung sei familiär, man kenne sich und finde hier jederzeit einen Gesprächspartner. Die Wirtin habe sich um ihre Gäste gekümmert und auch mal anschreiben lassen, wenn der Geldbeutel schmal war. Die Wirtin habe als Schopfheimer Unikat „das Herz auf dem rechten Fleck“, ergänzt ein weiterer Gast.

Die Tür des Hurlibaus ist am Ostersonntag ein vorerst letztes Mal geöffnet Foto: Gudrun Gehr

Resolute Wirtin

Wieder ein anderer beschreibt die Durchsetzungskraft der resoluten Wirtin: „Wenn es hier mal zu bunt wird, lässt Sonja einen Schrei los, alles erstarrt, und dann ist wieder alles in Ordnung.“

Sonja Dede selbst erinnert sich an eine kuriose Geschichte: „Einen frechen Gast habe ich mal mit dem Teppichklopfer rausgeschmissen.“ Der ist daraufhin auf der Straße gestürzt, hat sich verletzt und sie bei der Polizei angezeigt. Der Teppichklopfer wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft für ein Vierteljahr beschlagnahmt. Neben solchen eher kuriosen Vorkommnissen gab es allerdings auch wirklich unschöne Szenen, bei denen sie selbst verletzt wurde. Allerdings habe sich das in den vergangenen Jahren deutlich entschärft: Nach dem Entfernen der Geldspielautomaten in der Corona-Zeit sei viel mehr Ruhe in die Gaststätte eingekehrt, schildert die Wirtin.

Herz am rechten Fleck

Vor allem aber bestätigt Sonja Dede die Verbundenheit mit ihren Gästen: „Wenn hier mal länger jemand fehlt, mache ich mir Sorgen und schicke nach ihm, ob alles in Ordnung ist.“ Schmunzelnd sagt sie von sich selbst: „Eigentlich bin ich hier die Mutter Teresa der Nation.“

Zu ihren Gästen zählten Feuerwehrleute nach dem Einsatz, Fasnachtscliquen, Rechtsradikale und Linke, aber auch der Taxifahrer, der geschwind auf einen Kaffee einkehrt, zählt sie auf. Vom gegenüberliegenden Blumengeschäft erhält sie auch gerne mal ein Sträußchen gegen einen Plausch. Und die Gäste sind sich einig: „Hier geht in Schopfheim was Einmaliges verloren.“

Abschied mit Wehmut

Auch die Wirtin denkt wehmütig an die vergangenen Jahre zurück und blickt mit großem Bedauern auf den bevorstehenden Abschied: „Für mich geht schweren Herzens eine tolle Ära zu Ende. Was haben wir für super Feste gefeiert! Sogar ein Stripper war mal hier zu einer Geburtstagsfeier.“

Zum Osterwochenende ist für Stammgäste eine große Abschiedsparty im „Hurli“ geplant.

An Langeweile wird die frischgebackene Rentnerin im Übrigen nach ihrem Abschied vom Tresen nicht leiden: Seit Jahren betreut sie gemeinsam mit einem Pflegedienst zwei pflegebedürftige Personen.

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