Von Gabriele Hauger Grenzach-Wyhlen. Kennen Sie Hellmuth Costard" Wer unter 60 und kein Film-Freak ist, muss diesen Namen vielleicht erst mal googeln. Bei der Recherche stößt man auf eine faszinierende Erfinder- und Künstlerpersönlichkeit, die in den 70er Jahren in Deutschland für Furore sorgte, einen Mann, der in seinem gesellschaftskritischen und künstlerischen Ansatz seiner Zeit weit voraus war. Für Costards Freund und Weggefährten Ulrich Kaiser aus Grenzach-Wyhlen – einen Allrounder, der Musikwissenschaftler, Bauzeichner, Energieberater und Zimmermann ist – war der 2000 an Krebs verstorbene Filmemacher schlichtweg „ein Genie und ein wunderbarer Mensch“. Auch darum realisiert er gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulfreund, dem Kommunikationsdesigner Arno Dietsche ein einmaliges Projekt: Erstmals wird am 1. November öffentlich der letzte Film Costards im Zehnthaus in Wyhlen aufgeführt. Dieser wurde postum fertig geschnitten und trägt den Titel „Vladimir Günstig – Eine trojanische Affäre“. Doch zu dessen Inhalt später. Der Regisseur Wer aber war Hellmuth Costard" 1940 in Leipzig geboren, studierte er Psychologie und drehte ab den 60er Jahren erste Kurzfilme. Er gründete mit anderen Filmemachern die Filmemacher Cooperative, die gegen die etablierte Filmindustrie antreten wollte. Bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen 1968 sorgte er für einen Skandal, weil er in einem Film einen sprechenden Penis zeigte. Costard wurde zum prominentesten Vertreter des deutschen Experimentierfilms. In einer seiner bekanntesten Produktionen „Fußball wie noch nie“ beobachtet er beispielsweise mit der Kamera während eines gesamten Spiels einen Spieler. Rückblick In den 80er Jahren teilte sich Costard mit Kaiser und Dietsche ein Atelier in Berlin. „Costard hat die Kulturwelt polarisiert“, sagt Arno Dietsche rückblickend. Er und Kaiser unterstützten den Filmemacher damals in vielfacher Hinsicht. Das reichte vom Kabeltragen über Chauffeurdienste Kamera-Assistenz bis zu grafischen Arbeiten. Bei legendären und geradezu exzessiven Vernissagen mit Künstlern wie Immendorff, Lüpertz oder Penck waren sie mit Costard und der mit seiner Kamera dabei, erlebten mit ihm eine spannende, kreative Zeit. „Costard wollte dokumentieren, was in der Welt los ist. Er wollte forschen und ausprobieren, das war ihm viel wichtiger als künstlerisch-ästhetische Filme zu realisieren“, so Dietsche. Und Kaiser erinnert sich daran, viel von ihm gelernt habe: „in Sachen Geistes-, Charakter- und Herzensbildung, Weitsicht, Mut zum Risiko, auch zum Scheitern, zu Raffinesse und Vielseitigkeit.“ Er freut sich rückblickend, „in seinen letzten Jahren einer seiner Freunde und Weggefährten gewesen zu sein.“ Auch deshalb sieht er es als seine Verpflichtung an, bei der oft mühevollen Veröffentlichung von Costards Nachlass mitzuhelfen, der ihm zum Teil von Costard selbst vor dessen Tod anvertraut worden war. Viel Material schlummert sowohl bei ihm als auch in der deutschen Cinemathek in Berlin, die derzeit an der Digitalisierung des Stoffes arbeitet. Nun soll die Vorführung des Films im Zehnthaus Costards Werk wieder ins Bewusstsein rücken. Dazu hat Kaiser Wegbegleiter Costards eingeladen sowie die Sängerin Nina Hagen, deren Version von „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ im Film gespielt wird. Der Film Der Film selbst ist eine Mischung aus Dokumentation, Liebes- und Spionagekrimi. Zunächst geht es ganz real darum, das Costard beweisen wollte, dass er eine preisgünstige und effiziente „Sunmachine“ entwickeln kann, die das Energieproblem weltweit lösen könnte. Tatsächlich baute er unter anderem aus Fahrradfelgen und Hohlspiegeln einen Kollektor, der in der Lage war, Energie zu gewinnen. „Er hat uns das auch vorgeführt“, erzählt Dietsche rückblickend. Dieser Prozess wurde von der Kamera begleitet. Auf einer Art B-Ebene des Films wird um diese durchaus reale Umsetzung einer Erfindung eine Story gestrickt: CIA, KGB, sowie die Liebesgeschichte zu einer Agentin schaffen Action und Romantik. Ulrich Kaiser als Co-Produzent hat das Filmmaterial bearbeitet. Mit der Thematisierung der Technik Sonnenenergie war Hellmuth Costard seiner Zeit weit voraus, sind sich die beiden Weggefährten des Filmemachers einig. „Kunst soll etwas zeigen und auch in die Gesellschaft eingreifen – das war Costards Credo“, so Dietsche. Er habe gewusst: Technik gestaltet die Welt. Die physikalisch und chemisch funktionierende Licht-Sammel-Maschine Costards wollen er und Kaiser im Rahmen von Jugendprojekten als Prototypen real nachbauen – und stehen bereits in Kontakt mit Schulen – angesichts der Energiefrage sei dies aktueller denn je. „Costard war ein Vorreiter, der leider in Vergessenheit geriet.“ Auch mit der Filmvorführung wollen die beiden Costard-Freunde das ändern. n Filmvorführung: Dienstag, 1. November, 19 Uhr, Zehnthaus Grenzach-Wyhlen; Karten unter: ukayser@t-online.de