Grenzach-Wyhlen Glaube und künstlerische Provokation

Die Oberbadische
Die Referenten zum Werk Siegfried Frickers: Bernward Fricker (l.) und Dr. Konrad Schlude hinter der Krippe in St. Michael. Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Bernward Fricker und Dr. Konrad Schlude zum Werk des Bildhauers Siegfried Fricker in St. Michael

Von Willi Vogl

Grenzach-Wyhlen. „Wenn ich den Menschen mag, verstehe ich auch seine Botschaft“, machte Pfarrer Uwe Schrempp auf die geschnitzte Botschaft des Siegfried Fricker neugierig. Als Referenten für die Krippenbetrachtung in der Kirche St. Michael und für den Vortrag über das Gesamtwerk des Jestettener Bildhauers waren sein Sohn Bernward Fricker, Krankenhausseelsorger in Pforzheim, und Dr. Konrad Schlude, Leiter des Katholischen Bildungswerks in Jestetten, eingeladen.

Die gut 50 Besucher wurden durch pastorale Orgelklänge von Elisabeth Mattes eingestimmt und sangen selbst orgelbegleitet passend zum Thema „Ich steh an deiner Krippe hier“.

Siegfried Fricker stellte die Krippe im Zuge der Erstausstattung beim Bau der Kirche 1963 her. Bernward Fricker gab mit seiner Betrachtung einen intimen Einblick in die Arbeit seines Vaters, bei der sowohl sein eigenes Verhältnis zum Vater aber auch die Motivation und ideelle Grundlage Siegfried Frickers beim Schnitzen der Krippe deutlich wurden.

Anders als bei den meisten prunkvollen Krippen verzichtet Fricker in der Grenzacher Krippe auf schmückendes Beiwerk wie den Stern, Ochs’ und Esel, Elefanten oder Kamele als Reittiere der Weisen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche. Eine gewisse Vornehmheit wird lediglich bei den Weisen aus dem Morgenland durch die Frisuren und den Faltenwurf der Kleider angedeutet. In ihrer Aufstellung verkörpern sie verschiedene Phasen der Annäherung. Zwei Schafe stehen für alle nichtmenschlichen Wesen.

Bis etwa ins 15. Jahrhundert wurde Josef als alter Mann dargestellt, Fricker hingegen zeigt ihn als Mann in den besten Jahren und in betender Haltung. Der Künstler selbst fasste sein ganzes Leben religiös auf und vermittelte in seiner Familie „Gespür für Echtheit“ sowie gleichzeitig eine „Abneigung gegenüber allem Süßlichen und Gespielten“.

Marias Gesichtszüge ähneln wie viele andere seiner Frauenfiguren seiner ersten früh verstorbenen Frau Josephine. Ihre schalenförmige Hand- und Armhaltung stellt eine offene Geste dar, die als Anbetung und gleichwohl als Präsentation des Gottessohnes gedeutet werden kann. Das neugeborene Jesuskind entspricht keineswegs dem Kindchenschema, sondern begrüßt als kleiner Erwachsener die Gäste an der Krippe. Mit übergroßen Köpfen entsprechen die Hirten dagegen genau diesem Schema und zeigen sich damit als „naturverbundene Menschen, die kein Problem damit haben, etwas Größeres als sie selber anzuerkennen“.

Nach dieser Krippenbetrachtung konnte Siegfried Fricker nicht nur als tief gläubiger Mensch wahrgenommen werden. Als sensibler, fantasievoller und präziser Holzschnitzer erlaubte er sich auch einen persönlichen, bisweilen von den traditionellen Darstellungsweisen abweichenden Blick auf christliche Motive.

Während des Bildervortrags von Dr. Schlude hatte man Gelegenheit, ein Altartuch, verschiedene geschnitzte Kreuzwegstationen und Kreuze zu sehen. Auch hier wurde in einigen Exponaten Frickers eigenwilliger Blick auf christliche Darstellungen untermauert. So ist bei der Kreuzwegstation „Jesus wird seiner Kleider beraubt“ nicht der mechanistische Vorgang im Mittelpunkt, sondern Jesus getrennt von den Kleiderdieben als nackter leidender Mensch.

Die Darstellung des dritten Kreuzesfalls kann man gar als künstlerische Provokation deuten. Jesus liegt unter dem Kreuz, dessen Gewicht durch auf ihm tänzelnde Figuren zusätzlich erschwert wird. Angeführt wird die Gruppe von einem gezwirbelten Dämon, dessen Kopf scheinbar von einer flammenden Bischofsmütze bedeckt ist. Wenngleich auch Darstellungen solch kritischer Art in christlichen Kirchen Tradition haben, führt die ihr innewohnende Mehrdeutigkeit gelegentlich zu kontroverser Wertschätzung.

Frickers Werke wurden und werden nach wie vor gezeigt und bieten den Betrachtern gerade durch ihren persönlichen Blickwinkel die Möglichkeit, eigene Wahrnehmung zu schärfen und möglicherweise auch seinen eigenen Glauben zu vertiefen.

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