Die Anwohner etlicher Straßen haben in früheren Jahrzehnten keine Erschließungsbeiträge bezahlen müssen. Bereits damals gegen geltendes Recht. Auf einige Anlieger von Steingasse, Burgackerweg, Gazenweg und Kürzeweg könnten nun im Nachgang noch Kosten zukommen. Von Tim Nagengast Grenzach-Wyhlen. Die Vorgeschichte reicht weit zurück in die Zeit vor der Kommunalreform. Im September 1966 hatte der Gemeinderat Grenzach etliche Straßen – nämlich alle, die bereits im Jahr 1962 existierten – als „vorhanden“ und damit erschließungsbeitragsfrei deklariert. Der Wyhlener Gemeinderat machte dasselbe im November 1974. Beide Beschlüsse erfolgten gegen geltendes Recht, da innerörtliche Straßen – vereinfach gesagt – nur dann erschließungsbeitragsfrei sind, wenn sie bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Großherzoglich Badischen Ortsstraßengesetzes von 1868 nachweislich „vorhanden“ waren. Man spricht hier von „historischen Straßen“. Die Gemeinderäte von Grenzach und Wyhlen haben aber vor 50 respektive 42 Jahren nach eigenem Gusto gehandelt. Vielleicht, weil es ihnen einfach finanziell gut ging, vielleicht auch aus Unwissenheit oder anderen Gründen, über die am Dienstagabend im Gemeinderat spekuliert wurde. Fakt ist: Die Beschlüsse von 1966 und 1974 sind, da widerrechtlich gefasst, unwirksam. Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) hatte dies bereits im Jahr 2009 beanstandet und die Kommune zur Korrektur aufgefordert. Ohne Folgen. Die Aufforderung „versandete“. Bis die GPA erneut eine überörtliche Prüfung vornahm und der Gemeinde Grenzach-Wyhlen erst kürzlich auf die Finger klopfte. Die frohe Botschaft für viele Einwohner: Die allermeisten „Fälle“ sind längst verjährt. Denn nach endgültiger Herstellung einer Straße hat die Gemeinde genau vier Jahre Zeit zur Abrechnung. Jedoch: Vier betroffene Straßen sind rein rechtlich noch „nicht endgültig hergestellt“, wie Karin Schöttler von der Finanzverwaltung erläuterte: Teile des Burgackerwegs, die Steingasse östlich vom „Ifang“, der Kürzeweg und der Gazenweg. Sollte die Gemeinde diese Straßen beziehungsweise Abschnitte – in wie vielen Jahren auch immer – endgültig herstellen, werden für die betroffenen Anlieger dann Erschließungsbeiträge fällig. Im Gemeinderat sorgte das Thema für einige Diskussionen. Gleichwohl überwog am Schluss die Einsicht, sodass das Gremium einstimmig für die Aufhebung der 1966 und 1974 widerrechtlich gefassten Beschlüsse stimmte. Zuvor hatte Bürgermeister Tobias Benz dargestellt, dass die Gemeinde diesbezüglich weder eine Wahl noch Handlungsspielraum habe. Sollte der Gemeinderat seine Zustimmung versagen, müsse er kraft Gemeindeordnung sofort Widerspruch einlegen – wozu es aber nicht kam.