Ein fesselndes Theatererlebnis der ganz besonderen Art präsentiert das „Theater in den Bergen“ derzeit mit der Adaption des Wilhelm Hauff-Märchens „Das kalte Herz“ . Am Wochenende feierte die Theaterwanderung unter Regie von Arnd Heuwinkel in zwei ausverkauften Vorstellungen seine begeistert aufgenommene Premiere. Von Anja Bertsch Häg-Ehrsberg. Brachte das „Theater in den Bergen“ in bisherigen Produktionen schon auch mal ein halbes Dorf in Bühnenaktion, so ist es im aktuellen Stück ein übersichtliches Trüppchen aus sieben Akteuren, die ihr Publikum vom Waldmatter Kreuz oberhalb Ehrsbergs aus über gute drei Stunden hinweg durch weite Landschaften, über stoppelige Matten und dustere Wälder führen, und es dabei Schritt um Schritt mitten hineinziehen in die magische Sagenwelt des Schwarzwalds. Das Stück beginnt übrigens erst am frühen Abend und hat somit die stetig zunehmende Dunkelheit als wichtigen Akteur mit im Boot. Es ist ein Spiel um Geld, Gier und Geltungssucht, und um das wahre Glück, das sich da im Geschehen um den Kohlenmacher Peter Munk (Mario Brutschin), um seine Liebste Lizbeth (Antonia Tittel), um das hintersinnig-freundliche Waldmännlein (Marianne Tittel) und den Holländer Michel (Hermann Tittel) als des Waldmännleins so mächtig-reiches wie kaltherziges Pendant entspinnt. Angelegt und angekündigt zunächst als inszenierte Lesung, entfaltet sich vor dem mitsamt Klappstuhl von Station zu Station ziehenden Publikum im Nu ein intensives Schauspiel mit dichter Atmosphäre. Tragend das gesamte Schauspiel über sind die Akkordeonklängen von Tilmann Finckh; daneben kommt das Stück mit sparsamen Beigaben aus: Mal ist’s der Tisch mitsamt Bank auf der grünen Wiese, der als Bühnenaufbau dient, mal ein inmitten des Waldes flugs an den nächsten Baum gehängtes Gemälde, daneben die hölzerne Wanduhr, dazwischen ein Sessel und ein Kerzenlüster. Den großen Rest des Bühnenbilds stellt die schiere Landschaft ringsum. Anfangs ist es die Weite der Wiesen auf dem Ehrsberg, die dem Publikum am frühen Abend einen atemberaubenden Ausblick auf die Berg- und Tallandschaft ringsum eröffnet und das Spiel der Akteure im Vordergrund damit buchstäblich in seiner natürlichen Umgebung situiert. Ein stimmiges Timing führt die Handlung von der Tannschonung in der hereinbrechenden Dämmerung zunächst zum lampion-beleuchteten Tanzboden auf dem gegenüberliegenden Hügel, wo der buchstäblich durch Geisterhand zu Geld gekommene Peter Munk zusammen mit seinen Kumpanen, dem langen Ezechiel (Arnd Heuwinkel) und dem Tanzbodenkönig (Oliver Dib), der Pleite entgegenspielt. Für ein wohliges Gefühl zumindest beim Publikum sorgt vorübergehend eine kleine Rast mit Suppe, Tee und Feuerschale. Dann bewegen sich Handlung und ausgewählte Stationen immer tiefer hinein in die Düsternis, um im (fast) stockdunklen Wald seinen finstersten Wendungen entgegenzustreben. Raffiniert bespielt das Ensemble in der Inszenierung von Arnd Heuwinkel das Bühnenbild in seiner ganzen Weitläufigkeit: Mal stakst in der Ferne die Silhouette des Glasmännleins in der Abenddämmerung über die Bergkuppe und schickt einen Akkordeonlauf hinüber zum Publikum, mal dringt hinterrücks die Unheil dräuende Stimme des Holländer Michels aus den Tiefen des Waldes, und die verzweifelten Schreie des irre geleiteten Sonntagskinds Peter Munk schallen markerschütternd über die Berge. Wie es sich für ein gutes Märchen gehört, lichten sich Probleme und Stimmung zum guten Ende, und das Publikum genießt in der Schlussszenerie nochmals den Weitblick, den der Schwarzwald neben aller Düsternis eben auch bietet.