Hasel Neues Wanderziel: Stegmühle

Markgräfler Tagblatt

Reste der Stegmühle mit dem Mühlenkanal vom Forst wieder freigelegt

Hasel (hf). Die Stegmühle am Haselbach auf Gemarkung Schlechtbach ist den Menschen in der Region aufgrund ihrer wechselvollen Geschichte durchaus ein Begriff. Aber selbst den Einheimischen war nicht mehr bekannt, wo genau sich die Stegmühle befand.

In einer fachkundigen und höchst aufwendigen Aktion wurde jetzt das Areal von der Forstlichen Ausbildungsstätte Hasel unter Leitung von Siegbert Locher wieder freigelegt und mit Informationstafeln bestückt, so dass am Haselbach ein neues interessantes Ziel für Wanderfreunde geschaffen wurde.

Es ist ein Denkmal der lokalen Wirtschaftsgeschichte und ein Hinweis auf die schweren Lebensumstände der Menschen in der Region, was jetzt in den verbleibenden Überresten durch die Arbeit der Azubis der Forstwirtschaftlichen Ausbildungsstätte der Öffentlichkeit zurückgegeben wurde.

Die Stegmühle am Haselbach erzählt von schwerster Arbeit, ständiger wirtschaftlicher Not und dramatischen Ereignissen, die sich an diesem Ort ereignet haben. Wann und von wem die Mühle erbaut wurde, ist nicht mehr festzustellen. Aber vermutlich bestand sie schon am Ende des 17. Jahrhunderts. Wirtschaftlich stand die Mühle immer auf schwachen Beinen. Die jeweiligen Müller betrieben daher zusätzlich eine eigene Landwirtschaft und verdienten sich ein Zubrot durch den Verleih von Zugpferden und Ochsen. Denn nach dem mühsamen Aufstieg von Hasel über Glashütten Richtung Gersbach, machten die Fuhrleute hier Rast, wechselten die Zugtiere oder spannten des Müllers Pferde zusätzlich vor ihre Karren.

Basierend auf alten Dokumenten, Gerichtsprotokollen und den Ortssippenbüchern der Region hat Clemens Wittwer, Heimatforscher aus Glashütten, die Geschichte der Stegmühle rekonstruiert. Erste urkundliche Erwähnung findet die Stegmühle in einem Gerichtsprotokoll der Vogtei Raitbach aus dem Jahre 1768 als Johann Georg Blum aus Schlechtbach die Mühle samt Umland für 1.700 Pfund an Jörg Rüssli aus Raitbach verkaufte. Aber schon bald zeigten sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Schon nach drei Jahren konnte Müller Rüssli die vereinbarten Raten nicht mehr zahlen und verkaufte die Mühle an den ehemaligen Schulmeister Johann Jakob Weniger aus Wieslet. Gegen 1780 übernimmt Michael Oßwald mit seiner Frau Anna Weltlin die Stegmühle. Sohn Michael Oßwald führt die Mühle weiter und heiratet Magdalena Blum und damit kehrt die Mühle wieder in die Familie Blum zurück. Die Familie hat 14 Kinder, von denen sechs schon im Kindbett sterben. Der älteste Sohn, wieder ein Michael Oßwald, erbt die Mühle und heiratet Anna Barbara Heizmann aus Kürnberg, die bei der Geburt des zehnten Kindes stirbt. Die Stegmühle verbleibt nun im Besitz der Familie Oßwald, die aber durch eine Doppelhochzeit mit der Familie Blum eng verbunden bleibt. 1886 heiratet Albert Blum Marie Verena Deiß aus Gersbach, und Rosina Blum heiratet Gotthilf Oßwald – beide Paare ziehen in die Stegmühle. Wohl auf Grund der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Verschuldung der Mühle kam es bald zum Streit zwischen den Schwägern. Bei einer körperlichen Auseinandersetzung soll Albert Blum seinem Schwager mit einem Zimmermannsbeil auf den Kopf geschlagen haben. Gotthilf Oßwald hatte Zeit seines Lebens unter dieser Verletzung zu leiden. Albert musste für ein Jahr ins Gefängnis. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten blieben, und im Jahr 1889 musste die Mühle der Sparkasse Schopfheim übereignet werden. Albert Blum – inzwischen aus dem Gefängnis entlassen – kauft die Mühle im Jahr 1892 mit einer Bürgschaft seines Vaters Andreas. Im futterarmen Jahr 1893/94 muss Vater Andreas noch einmal mit einer Bürgschaft helfen, um die Mühle am Leben zu erhalten. Dann bricht am 22. Mai 1894 in der Mühle ein Brand aus, der Wohnhaus und Ökonomiegebäude zerstörte. „Kaminbrand“ steht in den Polizeiakten. Aber in der Region hielten sich Gerüchte, dass es mit dem Kaminbrand wohl nicht so weit her war. Rolf Strohm aus Gersbach hält in seiner im Jahr 1973 im Markgräfler Tagblatt veröffentlichen Studie zur Stegmühle fest. „Der in Sorge um die Existenz der vaterlos gewordenen Müllersfamilie (Albert Blum war am 2. Mai 1894 verstorben) verzweifelte Großvater soll einen seiner Söhne gebeten haben, die Mühle anzuzünden, um mit dem Brandgeld die Schulden bezahlen zu können, die auf der Mühle lasteten. Vielleicht war es auch die Sorge um die eigene Existenz, die ihn zu diesem Schritt getrieben haben mag.“ Ein Brandstifter konnte trotz intensiver Suche der Polizei nicht gefunden werden. Es hieß, er sei mit einem Zehrgeld nach Amerika ausgewandert. Die Witwe von Albert Blum erhält 6 000 Mark Brandgeld, mit der sie alle Verbindlichkeiten, die auf der Mühle lasten, ablösen kann. Nach dem Brand war das Mühlwerk erhalten geblieben und wurde für kleine Aufträge in Gang gesetzt, bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Mühlbetrieb ganz eingestellt wurde.

Danach verfiel die alte Stegmühle. Die Gebäudereste wurden als Steinbruch genutzt, der Garten verwilderte, Mühlekanal und Wasserradstube versandeten, das Areal wurde aufgeforstet. Bis jetzt Siegbert Locher sich für die Freilegung der alten Stegmühle als eines historischen Denkmals bei der Forst BW verwandte und sich mit den Azubis der Forstlichen Ausbildungsstätte um dieses Kleinod verdient machte. Behutsam wurden die Bäume entlang des Mühlekanals und auf dem Standort der Stegmühle entfernt. Zur Geländesicherung wurde eine gewaltige Stützmauer errichtet. Der Kanal und die Wasserradstube wurden wieder freigelegt, zwei alte Mahlsteine konnten aus dem Haselbach geborgen werden. Informationstafeln berichten von der Geschichte und der Bedeutung der alten Stegmühle. „Die Arbeit, die Förster Siegbert Locher und seine Helfer hier geleistet haben, kann man gar nicht hoch genug würdigen“, erklärte Alfred Blum, Urenkel der letzten Stegmüllerin bei einem Ortstermin.

Der Forstlichen Ausbildungsstätte Hasel wurde vom Ministerium für den ländlichen Raum Baden-Württemberg für ihr außerordentliches Engagement und ihre hervorragenden Leistungen 2014 das Prädikat „Sehr gute Ausbildungsstätte“ verliehen.

Die Stegmühle liegt an der alten Verbindungsstraße von Hasel über Glashütten nach Gersbach, heute ein Schwarzwaldverein-Wanderweg, und ist ebenfalls über den Schlechtbach-Rundweg sowie den Gersbach-Rundweg zu erreichen.

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