Hausen im Wiesental Böller, Espresso und lauwarmes Bier

Markgräfler Tagblatt

Narrengericht: Über zwei Stunden verhandelte das Gericht voller Wortwitz die herrlichsten Absurditäten

Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Stube der Gaststätte „Adler“ in Hausen, als gestern das Altbadische Narrengericht tagte.

Hausen (ilz). Die Anklagen waren gravierend: Brandschatzung, Erregung öffentlichen Ärgernisses und sogar einen Mordversuch verhandelten Dorfrichter Michael Brugger und Büttel Uwe Klement. Zunächst wurde die Anklage gegen die drei Mitarbeiter des Hausener Bauhofs, Gehri, Willi und Schoggi, verlesen. Das hohe Gericht legte ihnen zur Last, beim Abfeuern der Böllerkanone beim Hebelfest kapitale Fehler begangen zu haben. „Sie haben nicht mit dem Funkenflug gerechnet“, infolge dessen seien die Angeklagten für den Ausbruch des Feuers im Säddeliwald verantwortlich. Gemäß den närrischen Gesetzen lautete die Anklage daher auf „Brandschatzung“.

Um klar zu machen, dass die Angeklagten sich nicht an geltendes Recht gehalten hatten, verlas Dorfrichter Brugger einige Passagen aus der „offiziellen Böllerverordnung“, in der unter anderem geregelt ist, „dass während des Zündvorgangs nicht vorne ins Rohr geschaut werden darf.“

Anschließend kamen die Angeklagten zu Wort. „Was soll ich sagen? Unschuldig!“, so Angeklagter Gerhard „Gehri“ Kiefer, der stellvertretend für die Delinquenten sprach. Zu seiner Entlastung wurde angeführt, dass er immerhin 29 Jahre für die Kanone verantwortlich gewesen sei. Das schlagende Argument „Der Gehri braucht keine Kanone, er ist eine“, führte zu johlenden Zustimmungsrufen beim Publikum.

Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass die Kanone sabotiert worden sei. Wahrscheinlich vom Dorfrichter persönlich, um einen Fall für das diesjährige Narrengericht zu haben.

Um sicher zu gehen, dass sich ein derartiger Vorfall nicht wiederholt, wurde den Angeklagten eine Feuerspritze überreicht, die sie ab sofort immer mitzuführen haben.

Helfend sprang Bürgermeister Martin Bühler den Angeklagten zur Seite, indem er die Theorie aufstellte, dass es sich bei dem Feuer im Säddeliwald um Brandstiftung gehandelt habe. Es sei wahrscheinlich eine Vorübung für das Scheibenfeuer gewesen, so der Bürgermeister.

Die zweite Anklage richtete sich gegen die Hausener Filiale der Sparkasse Wiesental. Durch „notorischen Spritmangel“ im Sparkassenespressomobil habe die Bank während des Hebelfests für Erregung öffentlichen Ärgernisses gesorgt. Denn als das kleine Fahrzeug wegfahren wollte, habe es sich nicht mehr vom Fleck bewegt. Daraufhin seinen Finanzberater und „andere hohe Persönlichkeiten im Anzug“ unter das Fahrzeug gekrochen, um den Fehler zu finden. Für den zeitgleich stattfinden Umzug habe sich deshalb niemand mehr interessiert. Schließlich sei festgestellt worden, dass sich kein Sprit mehr im Tank befand.

Auch die Sparkasse plädierte auf unschuldig. Man gehe davon aus, dass auch in diesem Fall die Schuld beim Ankläger liege. Dieser habe den „Adler“ mit gefüllter Blase verlassen und diese anschließend in den Tank des besagten Fahrzeugs entleert, um dem Vorwurf des „Wildpinkelns“ zu entgehen. Wie bereits zuvor wies das hohe Gericht die Anschuldigung zurück, ließ sich aber durch von der Sparkasse mitgebrachte Getränke milde stimmen.

Anschließend kam es zur Verhandlung des wohl schwerwiegendsten Verbrechens. Die Zeller Fasnachtsgesellschaft war wegen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz angeklagt. Im Verlauf des Prozesses wurde aber klar, dass es sich wahrscheinlich um versuchten Mord handelte. Am Zeller Ölfde-Ölfde hat Rothaus-Bier auf der Karte gestanden. Tatsächlich aber schenkten die Zeller lauwarmes Ganter aus. Der geschädigte Mario Brugger schilderte die Vorkommnisse aus erster Hand. Er habe sich so auf das kalte Bier gefreut, weshalb der Schock dann umso größer gewesen sei. Für ihn stehe fest, dass die Zeller den Oberzunftmeister durch diese Aktion „um die Ecke bringen wollten“. Anschließend musste Brugger seine Ausführung unterbrechen. „Das Trauma prallt wieder auf mich ein. Ich kann schon gar nichts mehr sagen“, so der emotional schwer gezeichnete Oberzunftmeister.

Die Anschuldigungen seien schwerwiegend, räumten auch die Zeller Narren ein. Zu ihrer Verteidigung sei aber zu sagen, dass die Hausener Narren die Kapazitäten überstrapaziert haben. „Unsere Bedienungen wussten schon gar nicht mehr, wie sie das alles schleppen sollen.“ Zudem habe man den Fehler gemacht, Servicekräfte aus Schopfheim zu beschäftigen, was mit lautem Protest der anwesenden Schopfheimer Narren quittiert wurde. Rothaus (beziehungsweise „rot Haus“) habe es nicht gegeben, weil man fürchtete, hinsichtlich der anstehenden Bürgermeisterwahl parteiisch zu wirken.

Für lauwarmes Bier sprang überraschend Karl-Heinz Vogt in die Presche. Dieses sei bedeutend gesünder als kaltes Bier, so der ehemalige Bürgermeister und Dorfrichter, weil man davon nie mehr als eins trinke.

Nachdem alles verhandelt war, zog sich das Gericht zur Beratung zurück und verkündete schließlich die Urteile: Die Bauhofmitarbeiter müssen als Entschädigung Klöpfer mit Brot und Getränken spendieren und die Sparkasse muss erneut Kaffee und italienische „süße Stückle“ springen lassen, was, so Richter Brugger, beinahe einem Freispruch gleich komme. Was die Zeller angeht, einigte man sich darauf, dass 50 Liter Bier für ein gemeinsames Sommerfest mit den Hausener Kollegen zur Verfügung gestellt werden müssen.

„Stellt wieder ordentlich was an, damit wir im nächsten Jahr was zu verhandeln haben“, gab Dorfrichter Brugger den Besuchern mit auf den Heimweg.

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