Kandern Ehrwürdiges Relikt der Vergangenheit

Weiler Zeitung

Vor 400 Jahren wurde das Pfarrhaus in Tannenkirch erbaut / Turbulente Zeiten überstanden

Von Ines Bode

Kandern. Anno 1615 wurde das Pfarrhaus in Tannenkirch erbaut. Bis heute zählt das 400 Jahre alte Anwesen zu den schönsten Gebäuden der Gegend. Großteils ist es original erhalten. Der großzügige Grundriss etwa sei laut Ortsvorsteher Fritz Höferlin der ursprüngliche – schließlich diente das Pfarrhaus auch als Lager.

Auf den drei Speichern das Getreide, in den zwei Kellerräumen der Wein, mittendrin Wohn- und Amtsnutzung – so gestaltete sich laut Höferlin die einstige Einteilung. Der Ortschronik zufolge gab es viele Abgaben, allen voran Frucht- und Weinzehnt. Aufbewahrt wurden Dinkel, Hafer und Gerste. Hinzu kamen Fasnachtshühner, Maßgeld, Jahressteuer sowie der Etterzehnte für den Ortspfarrer. Insgesamt füllten wohl rund ein Dutzend Abgaben die Lager des Pfarrhauses.

Seit 50 Jahren kennt das Anwesen ein Nachbar aus der Kirchendiener-Familie Kühner, die seit Generationen tätig und dem Dienst sehr verbunden ist. Original erhalten sei das Dachgebälk, verbaut wurden erstaunlich lange und gerade Stämme. Recht raffiniert angelegt ist die enge, regensichere Holzkonstruktion, die nochmal hunderte Jahre halten dürfte. Auch Kellerbalken sollen aus der Bauzeit stammen. Ebenso überstand das Mauerwerk die Zeiten, Hinweise auf Verfall enthält die Ortschronik nicht.

Wie sah das Fleckchen Erde nun ursprünglich aus, wo Pfarrhaus und Kirche stehen? Ein ganzer Tannenwald bot sich dem Auge hier, hinein setzten Mönche im neunten Jahrhundert eine Kapelle. Dazu passt der erste Nachweis zu Tannenkirch 1179. Schon zuvor entstand Besiedlung: Gupf wurde 1163 erwähnt, Uttnach 1196, Ettingen 1256. Es ging die Kunde, dass sich drei, vier Höfe um das Kirchspiel rankten, 1368 als solches erwähnt. 200 Jahre später waren die vier Weiler (zuzüglich Tannenkirch) im Grundbuch der Burgvogtei Rötteln zum Ganzen vereint.

Die ersten Siedler rückten dem Tannwald zu Leibe, der ab 1200 offenen Gewannen mit Reben wich. Die Kirche kam 1223, der Turm um 1300, über 300 Jahre später das Pfarrhaus. Heimatforscher Fred Wehrle weiß, dass es unter Pfarrer Johann Möhrlin von 1608 bis 1620 samt Nebengelass entstand. Dannenkylch sagte man damals, ab 1628 Dannenkürch.

1738 baten Pfarrer und Vogt wegen Bevölkerungszuwachs um Vergrößerung der Kirche. Die Güter um Tannenkirch gehörten seit der Reformation, 1556 in der Markgrafschaft eingeführt, etwa den Herren von Rötteln. Über das kirchliche Zehntrecht wachte der Markgraf. Die Ortschaft galt als einträglich, lobend erwähnt im 18. Jahrhundert seitens des Fürstenhauses Baden-Durlach. „Hochfürstliche Durchlauchtigkeiten an fast keinem oberländischen Ort so schöne Revenuen ziehen als in Tannenkirch“.

Bereits von der Lörracher Lucke seien Pfarrhaus und Kirchturm sichtbar, so Fritz Höferlin. Die mächtige Linde des Grundstücks schätzt er auf weit über 200 Jahre alt. Was für Zeiten waren das, denen das Pfarrhaus standhielt? Vor allem kriegerische. Ab 1618 tobte der 30-jährige Krieg, gefolgt von der französischen Revolution, den napoleonischen Kriegen und mehr. In militanten Zeiten verbrannte ein Teil der Kirchenbücher.

Erfreulich wieder der Eintrag Johann Peter Hebels, der 1782 Taufen notierte, auch war er Hauslehrer des Vikars in Hertingen. Den Fuß über die Pfarrhaus-Schwelle setzten noch weitere Persönlichkeiten: Ursel Tanner berichtet von Pfarrer Johann G. Winter (tätig 1782 bis 1785), dessen Kinder das Haus belebten. Sohn Georg Luwig wurde Innenminister im Großherzogtum, in Karlsruhe erinnert ein Denkmal an ihn, 1891 wurde die dortige Winterstraße nach ihm benannt. Giselher Haumesser berichtet von einer Episode zur Zeit des Sonnenkönigs: im Frühjahr 1677 sei Pfarrer Johann Kummer von Franzosen geplündert worden. Tragisch, da der 83-Jährige ohne Hut, Kragen und Schuhe bei kaltem Wetter zu Fuß nach Basel floh und an den Folgen starb. Ursel Tanner weist auf das Epitaph Kummers an der Mauer zwischen Pfarrhaus und Kirche hin. Kummer wirkte 27 Jahre, war dreimal verheiratet, hatte 17 Kinder.

Ein Reizthema der Geschichte: der Erhalt des Hauses. Standen Maßnahmen an, vergingen Jahre des Wartens. Die Prognose 1860: es stehe noch 60 Jahre. Doch der Bau „überlebte“. Die nächste Sanierung dauerte ganze 110 Jahre. Das erste Bad kam 1960, zuvor dachte man über Abriß des Hauses nach, besann sich aber auf den urtümlichen Charakter. Zwei Mal war es unbewohnt, harrte der Handwerker.

Aktuell naht die Außensanierung des Gebäudes. In jüngerer Zeit öffnet sich das Haus, bietet Vereinigungen Domizil. Ortsvorsteher Höferlin bemerkt, dass viele Häuser im Dorf an die 300 Jahre alt seien. Bürgermeister Christian Renkert sagt, Geschichte sei besonders eindrücklich, wenn sie an bekannten Schauplätzen erfahrbar gemacht werde – so auch am Pfarrhaus in Tannenkirch.

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