Kandern Er passt in keine Schublade

Weiler Zeitung
Ein Krawattenmotiv von Karlheinz Scherer, aus der Ausstellung in der Kanderner Galerie Keller. Foto: Jürgen Scharf Foto: Weiler Zeitung

Werke von Karlheinz Scherer in der Galerie Keller in Kandern

Von Jürgen Scharf

Kandern. Ob an der Geschichte etwas dran ist oder ob es sich um Legendenbildung handelt, dass der renommierte Markgräfler Maler und Professor Adolf Strübe den jungen Karlheinz Scherer in der elterlichen Autowerkstatt in Binzen quasi unter der Motorhaube hervorzog und zu sich an die Freiburger Kunstakademie rief? Auf jeden Fall hat Strübe den Künstler Karlheinz Scherer „entdeckt“. Auch später gab es noch Kontakte und Besuche zwischen dem Lehrer und seinem ehemaligen Meisterschüler aus den 50er Jahren.

Neben Strübe hat der Kanderner Galerist Robert Keller schon immer sehr gern auch Scherer ausgestellt. Die fünfte Schau wird von den Nachlassverwaltern des 2008 verstorbenen Malers kuratiert, der Witwe Margret Scherer, dem Maler Peter Bosshart und der Kunsthistorikerin Margitta Brinkmann, die ein Werkverzeichnis über Scherer in Arbeit hat. Erst seit ein paar Monaten ist eine Homepage (www.karlheinz-scherer. com) über den Maler im Netz, die neben einer ausführlichen Biografie und vielen Werkbeispielen auch auf einen Aspekt eingeht, den man bei diesem Künstler nicht so kennt: Scherers Filmarbeiten.

Mancher Kenner des Scherer-Oeuvres wird in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Keller überrascht sein, dass der „Peinture-Mensch“, wie sich Scherer selber nannte, auch viel Gegenständliches zu Papier gebracht und sehr viele Zeichnungen gemacht hat, die noch nie gezeigt wurden und jetzt, neu gerahmt, erstmals im verwinkelten alten Haus am Kirchplatz hängen: kleinere Bildideen, interessante Skizzen, aber nicht immer ausformulierte Bilder.

Konzentration auf Papierarbeiten

Die Übersichtsschau konzentriert sich auf Papierarbeiten und streift den Bereich Übermalungen. Scherer hat gerne ältere Bilder überarbeitet (bei Keller gab es schon einmal eine ganze Ausstellung mit hauptsächlichen Übermalungen). Die diesmal gezeigten Bilderfindungen zum Thema „Die Blüten, die Frauen, die Muster“ wirken frisch und lebendig, originell und vielseitig. Es ist eine abwechslungsreiche Retrospektive, die überhaupt nicht angestaubt erscheint, obwohl Scherer ja kein Künstler war, der Modeströmungen mitmachte und schon gar nicht sich -ismen beugte. Kunstgeschichtlich ort- und zeitlos, passt er in keine der gängigen Schubladen.

Scherer wollte nichts als Maler sein, er misstraute der „großen“ Kunst und schaffte so oft kleine Formate wie Papier- statt Ölbilder. Als weltoffener Maler ging er immer eigene Wege, erfand schon früh Muster, Ornamente und Dekore. Die Werkgruppe seiner ornamentalen Pattern- und Strukturbilder bekam in den 80er Jahren ungeahnte Aktualität durch die neuen Kunsttrends. Auch dass er am Gegenstand und an der Figur festhielt, wurde vom Siegeszug der Pop Art bestätigt. Scherer war von Tapeten angeregt und so finden sich in seinen ornamentalen Bildern florale Strukturen, organische Muster, Vegetabiles, fließende Bewegungen - eine Rhythmik, die oft über den Rand hinausgeht.

Scherer reagierte auf das Material, Papier oder Holz als Bildgrund, wie man an der bemalten Tischplatte (auf der Einladung) erkennen kann, aus der er ein bewegtes Bildmuster gemacht hat. Auch Zeitschriften und Modemagazine dienten ihm als Malgrund. Dass er zudem ein genuiner „Frauenmaler“ war und die Frauen für ihn Inspiration waren, das verraten die vielen Mädchenköpfe, oft im Profil, weibliche Halbfiguren, die Blonde im Frack, die Frauenbüste im Pünktchenkleid, das Spitzenkorsett oder Mädchen im Bustier, die bei allen erotischen Elementen auch deutlich ironische Untertöne haben und das weibliche Thema witzig persiflieren (wie das Playboy-Bunny mit Geschenkschleife am Kopf).

Manche Frau lässt er mit dem Dickicht der Farben verwachsen, etwa die junge schwarzhaarige „Molly“, die ihre schwarz bestrumpften Beine im grünen Dschungel ausstreckt.

Die auf die Räume bezogen gehängten Bilder aus verschiedenen Zeiten lassen dem Betrachter Freiraum, so dass die Schau nicht überladen wirkt und jedes Bild einzeln etwas sagen kann. Im Nachhinein muss man Adolf Strübe für die Entdeckung Karlheinz Scherers dankbar sein. u  Bis 5. Juli, Samstag, Sonn- und Feiertage 14 bis 18 Uhr.

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