Kandern (bn). Das passiert nicht oft, dass Kanderns Stadtbücherei zu klein ist, wenn ein neues Buch vorgestellt wird. Günter Schneidewinds Gastauftritt am Mittwochabend hatte jedoch solche Massenwirkung, weshalb die Veranstalter den Anlass flugs ins benachbarte Kino zu verlegten. Die 1950er-Jahre-Atmosphäre dort fand der prominente Radiomoderator und staunenswerte Rock-Pop-Experte geradezu ideal für seine wort- und bildreiche sowie mit Tondokumenten garnierte Präsentation seines Kompendiums „Der große Schneidewind“. Weckte solches Flair doch auch Erinnerungen an die Jugendzeit des 63-Jährigen, der in der DDR aufwuchs und damals schon begierig alles in sich einsog, was die westliche Populärmusik außer billiger Konsumfolklore zu bieten hatte. Das umso mehr, nachdem Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht anno 1965 mit dem Spruch: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen"“ den Verzicht darauf verordnete und die Volksgenossen anwies, mit der „Monotonie des Je-Je-Je (gemeint war das „Yeah, Yeah, Yeah“ der Beatles) Schluss zu machen. War es vorher schon nicht einfach, an die Vinyl-Konserven der Westmusik heranzukommen, so bedurfte es nun trickreicher Manöver, um auf aktuellem Stand zu bleiben. Dem damaligen Studenten an der Berliner Humboldt-Universität half da ein slowenischer Mitstudent, der Besuchserlaubnis für den Westen hatte und von dort die neuesten Pressungen mitbrachte – zuletzt getarnt in Covern von Ravel- und Beethoven-Platten. Wenn Schneidewind in solchen Erinnerungen schwelgt, ist da wenig von den damals drohenden schwerwiegenden Sanktionen die Rede, dafür viel vom diebischen Vergnügen, das die cleveren Beatles-, Stones- und Led Zeppelin-Fans beim Austricksen der Staatsmacht empfanden. Genauso erfrischend schildert er, wie er dann als junger Deutsch- und Englisch-Lehrer zum Moderator des Ost-Berliner Jugendsenders DT64 avancierte und Texte über die internationale Rock- und Popszene verfasste. Nach dem Mauerfall dann der große Umbruch und die Chance, im Sommer 1990 als Gastmoderator der ersten „deutsch-deutschen Hitparade“ beim SDR in Stuttgart aufzutreten und mit seinem Expertenwissen zu glänzen. Dann bot ihm der Sender an, als ständiger freier Mitarbeiter zu bleiben. Es folgten alsbald Begegnungen mit den großen und größten Stars, darunter ein legendäres Interview mit David Bowie, ein Plauderstündchen mit Marianne Faithfull auf dem Sofa ihrer Pariser Wohnung, ein Spaziergang mit Paul McCartney in Münchens Englischem Garten, ein erstaunlicher Studiotalk mit Mick Jagger und ein deftiger Gedankenaustausch mit Manfred Mann zum Thema „Masturbation“, um nur einige wenige zu nennen.