Kleines Wiesental Der ewig unterschätzte Mediziner

Markgräfler Tagblatt

Der einzige Nobelpreisträger aus dem Wiesental, Werner Forßmann, wäre heute 110 Jahre alt geworden

Von Sarah Trinler

Kleines Wiesental-Wies. Er war mutig und stellte sich und seinen Körper ganz in den Dienst seiner Wissenschaft. Er war ein großer Mediziner und Forscher, der jedoch jahrelang unterschätzt wurde. Nobelpreisträger Werner Forßmann, der am 1. Juni 1979 auf dem Friedhof in Wies beigesetzt wurde, wäre heute 110 Jahre alt geworden. Er ist der bislang einzige Nobelpreisträger aus dem Wiesental.

Der wuchtige Grabstein Forßmanns mit der Aufschrift „AUT PULVIS - AUT CINIS - AUT NIHIL“ („Entweder Staub oder Asche oder nichts“) weist hin auf die Demut dieses großen Chirurgen, der heute als Begründer moderner Herzdiagnostik gilt. Aber bis dahin war es ein steiniger Weg: Der am 29. August 1904 in Berlin geborene Werner Forßmann war eigensinnig und fand zuerst keine Unterstützer für seine Forschung.

Als 25-jähriger Arzt erprobte Forßmann 1929 im Krankenhaus in Eberswalde (Brandenburg) gegen die Anweisung seiner vorgesetzten Ärzte die Sondierung des Herzens durch Katheterisierung im Selbstversuch. Er legte sich selbst einen Schlauchkatheter durch die Ellenbogenvene ins Herz und führte bei vollem Bewusstsein vor dem Röntgenschirm eine Sonde in sein Herz. Mit den Worten „Mit solchen Kunststücken habilitiert man sich in einem Zirkus und nicht an einer anständigen Klinik“ ahndete sein Vorgesetzter Professor Ferdinand Sauerbruch den ersten von neun Selbstversuchen und warf Forßmann aus der Klinik.

Werner Forßmann eröffnete daraufhin eine eigene urologische Klinik im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach. Erst 27 Jahre später, 1956, erhielt er den Nobelpreis für Physiologie und Medizin - seine Entdeckung der Herzkatheterisierung und seine Forschungen über die pathologischen Veränderungen im Kreislaufsystem wurden endlich entsprechend gewürdigt. Der Chirurg hatte als erster deutscher Mediziner seit 1939 den Nobelpreis erhalten.

Nach medizinischer Tätigkeit in Berlin, Eberswald, Mainz, Dresden, Bad Kreuznach und Düsseldorf verschlug es Werner Forßmann 1972 endgültig ins Kleine Wiesental, wohin seine Familie bereits während des Krieges nach Wambach oberhalb von Wies gekommen war. Als Forßmann nach Kriegsgefangenschaft 1945 zum ersten Mal nach Wambach kam, war seine Frau Elisabeth bereits ein fester Begriff im Kleinen Wiesental. Sie war ebenfalls Ärztin, und so konnte er sie unterstützen - Forßmann selbst hatte wegen Mitgliedschaft in der NSDAP kurz nach Kriegsende Berufsverbot.

Wolf-Georg Forßmann, eines von sechs Kindern der Forßmanns, ebenfalls Arzt, der heute im Elternhaus in Wambach seinen Ruhestand verbringt, hatte in einigen Vorträgen, etwa in der „Krone“ in Tegernau, von Anekdoten aus seiner Kindheit berichtet. Für seinen Vater war immer der Patient im Mittelpunkt gestanden und so war er trotz Berufsverbot nach Kriegsende oft ins Parkhotel nach Badenweiler mit einem Motorrad gefahren, um französische Soldaten zu operieren. Im Kleinen Wiesental hatte er viele Kilometer zu Fuß zurückgelegt, um zu seinen Patienten zu gelangen. Werner Forßmann habe stets mit harter Disziplin gearbeitet und sich dennoch seine fröhliche Seite bewahrt.

Beinahe wäre der spätere Nobelpreisträger 1947 Chefarzt des Schopfheimer Krankenhauses geworden. Doch als Preuße aus Berlin wollte ihn der damalige stellvertretende Bürgermeister Adolf Müller nicht an der Spitze des Krankenhauses sehen. Diese und ähnliche Geschichten erzählt Forßmann in seiner 1972 erschienenen Autobiographie „Selbstversuch“. Das Buch ist im Düsseldorfer Droste-Verlag erschienen, noch heute erhältlich und gilt als Forßmanns persönliche Abrechnung mit all denen, die ihn oder seine Forschung nicht ernst genommen haben. Auch hatte der Chirurg bereits lange vor der Weiterverbreitung des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan vor den Spätschäden gewarnt - doch man hatte nicht auf ihn gehört.

Im Alter von 74 Jahren ist Werner Forßmann an mehreren Herzinfarkten im Schopfheimer Krankenhaus gestorben. Die Gemeinde Wies verlieh dem großen Pionier der Herzchirurgie noch zu Lebzeiten, 1974, die Ehrenbürgerurkunde. Forßmann hatte im Wiesental eine zweite Heimat gefunden, was er auch in seiner Biografie deutlich machte. Auch das Alemannische hatte ihm gefallen und so bezeichnete er den Heimatdichter Johann Peter Hebel respektvoll als „Zauberer“.

Helmut Schmidt, der Bundeskanzler war als Forßmann gestorben ist, schrieb nach dem Tod des Nobelpreisträgers in einem Brief an Elisabeth Forßmann: „Durch seine Selbstversuche hatte er der Medizin neue Wege in Diagnose und Therapie eröffnet und zum weltweiten Ansehen der deutschen Medizin beigetragen.“

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