Kleines Wiesental „Es ist fast wie Zauberei“

Markgräfler Tagblatt

Marionettentheater: Johannes Bockemühl bringt ein Stück frei nach Siegfried Lenz auf die Bühne

Rund 100 Marionetten hat Johannes Bockemühl für sein kleines Theater in Neuenweg hergestellt. Mit viel Geschick haucht er den Figuren an den Fäden Leben ein.

Von Ingmar Lorenz

Kleines Wiesental-Neuenweg. Johannes Bockemühl hält das Holzkreuz locker in der Hand. Die vielen Fäden führen zum Kopf, den Beinen, dem Rücken und den Händen der Marionette. „Es ist fast wie Zauberei“, sagt der ehemalige Therapeut und Kinderarzt, als er beginnt, das Kreuz langsam zu bewegen und mit der freien Hand sachte an den Schnüren zu ziehen. Und tatsächlich: Es ist, als würde die Marionette zum Leben erwachen, während der Puppenspieler völlig im Hintergrund verschwindet. Die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich mit einem Mal auf die Körpersprache, auf die typischen Bewegungen der Figuren aus Holz und Hartschaum. Ein blaues Seidentuch auf dem Boden wird zum Bach, in dem die Marionette ihre Kleider wäscht. Emotionen werden durch kleine Nuancen in den Bewegungen ausgedrückt.

Therapeutischer Ansatz

Es ist genau dieser Effekt, der für Bockemühl ausschlaggebend war, sich mit dem Puppenspiel zu beschäftigen. Denn er setzte die Marionetten zunächst zu therapeutischen Zwecken ein. „Man ist beim Spielen und Zuschauen ganz in der Figur“, erklärt er den psychologischen Ansatz. Es sei dadurch möglich, sich von seinen eigenen Gedanken zu lösen. Gerade für Menschen, die an einer Depression leiden, sei dies eine wertvolle Erfahrung.

Dabei seien für die Arbeit mit seinen Patienten auch ganz einfache Marionetten ausreichend – im Grunde kaum mehr als eine Kugel an einer Schnur.

Als sich Bockemühl nach seiner Pensionierung im Jahr 2004 dazu entschloss, sich dem Marionettentheater eingehender zu widmen, wurde das Spiel mit den Puppen, die er selbst anfertigt, immer komplexer. „Da gibt es viel zu beachten.“ Besonders wichtig sei beispielsweise, dass sich die Fäden beim Spiel mit zwei Marionetten nicht verheddern. Die Demonstration folgt sogleich: Mit einem Kreuz in jeder Hand und der richtigen Technik schafft es Bockemühl, dass die beiden Puppen aufeinander zugehen, sich in die Arme nehmen und beginnen zu tanzen. Anschließend lässt er die Marionetten wieder getrennte Wege gehen.

Dieses feine Gefühl für den Umgang mit den Marionetten entwickle sich mit der Zeit, erklärt Bockemühl. Zudem habe er sich Anregungen bei anderen Spielern geholt, etwa beim Marionettentheater „Pendel“ in Künzelsau.

Ausgefeilte Bauweise

Auch der Bau der Marionetten wurde im Lauf der Zeit immer ausgefeilter. Die Konstruktion wurde dabei zum Teil der Rolle der Figur angepasst. So hat beispielsweise eine Hexe, die in einem Stück sterben muss, unter ihrem langen Rock keine Füße. Die Beine enden mit dem Kniegelenk. „So kann sie in der Sterbeszene richtig in sich zusammensinken“, erklärt Bockemühl. Zugleich könne durch die Kniegelenke in den übrigen Szenen die typische Gehbewegung unter dem Gewand angedeutet werden.

Inzwischen hat der ehemalige Arzt auch seine Tochter für die Aufführungen in Neuenweg gewinnen können. So bewegt sie im aktuellen Stück „Die Masurische Hochzeit“ die Puppen, während sich Bockemühl um die Technik kümmert und im Hintergrund die Rahmenhandlung der Geschichte erzählt.

Die Auswahl des Stückes zeigt Bockemühls Verständnis des Marionettentheaters: „Es soll nicht überzeichnet sein.“ Und nicht nur Märchen könnten auf die kleine Bühne gebracht werden, sondern auch andere Geschichten, wie im Fall des aktuellen Stücks, das auf dem Werk „So zärtlich war Suleyken“ von Siegfried Lenz beruht.

Drollige Details lassen sich dennoch immer wieder finden. So wird der Holzfäller, der sich im Stück verliebt, nicht etwa von Amors Liebespfeil getroffen, sondern entsprechend seiner Profession von einer kleinen roten Axt, die an einem der Fäden hinuntersaust.

Frei nach Siegfried Lenz spielt das Marionettentheater Neuenweg das Stück „Die Masurische Hochzeit“. Aufführungen finden bevorzugt samstags um 17 Uhr und nach Vereinbarung im Hauweg 24 in Neuenweg statt.

Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Weitere Infos unter Tel. 07673/1693.

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