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Kleines Wiesental „Mit Romantik hat das nichts zu tun“

Markgräfler Tagblatt
Foto: Michael Werndorff Foto: Markgräfler Tagblatt

Wanderschäfer stehen vor wachsenden Herausforderungen

Er gehört zu einer aussterbenden Rasse. Das weiß Jürgen Fritz. Der Wanderschäfer ist einer von zwei Tierhaltern im heimischen Landkreis, der mit seiner Herde noch traditionell von Weide zu Weide zieht. „Es wird aber nicht einfacher“, sieht er einer ungewissen Zukunft entgegen.

Von Michael Werndorff

Kleines Wiesental. Rund 400 Tiere umfasst die Schafherde, die der Wiesleter Jürgen Fritz auf eine Weide oberhalb der Gemeinde geführt hat. Noch am Tag zuvor hat der Schäfer in Hausen auf einem schmalen Streifen zwischen Bundestraße und Wiese Station gemacht, zum neuen Standort ging es weiter per pedes. „Schließlich heißt es Wanderschäfer“, sagt er schmunzelnd, während Lucy die Merinolandschafe in Schach hält. Die altdeutsche Hütehündin hört nicht nur aufs Wort, selbst auf einen kleinen Wink oder ein Nicken mit dem Kopf hin sprintet sie los, um den Schafen den rechten Weg zu weisen. Auf diesem gilt es jedoch immer mehr Hindernisse zu überwinden, wie der Züchter erklärt: „Die Landschaft ist zersiedelt, die Behördenauflagen machen es den Landwirten nicht leichter und die Biogasanlagen stellen eine Konkurrenz dar.“ Das betreffe vor allem die Winterweiden, die bis zu fünf Mal gemäht und stark gedüngt würden, sodass dem Schäfer kaum Futtermittel zur Verfügung stünden, erklärt Anette Wohlfahrt, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes, im Gespräch mit unserer Zeitung. Fritz muss zudem darauf achten, dass seine Schafe keine Schäden auf Feldern anrichten, weshalb er zum Teil auch auf das Wohlwollen der Grund- und Bodenbesitzer angewiesen sei. Dennoch kann er mehr verkaufen als er produziert: „Lammfleisch ist beliebt und die Nachfrage ist groß – wer will, der bekommt“, zeigt sich der Wiesleter zufrieden.

Dieser sei zwar mit Leib und Seele Schäfer, aber mit Romantik habe die Arbeit nichts zu tun. „Die ist schon während meiner Zeit als Lehrling auf der Strecke geblieben“, erinnert sich der gebürtige Weiler. Weil man das Geld auch einfacher verdienen könne, verstehe er die Entscheidung seiner vier Söhne, nicht in seine Fußstapfen zu treten.

Weit entfernt vom Mindestlohn

Laut Wohlfahrt liegt der durchschnittliche Stundenlohn eines Schäfers derzeit bei 6,38 Euro – „noch weit entfernt vom Mindestlohn“. Immer mehr Betriebe würden aufgeben, der Trend halte an, sieht sie die Entwicklung des Berufsstandes kritisch. Noch gibt es etwa 180 hauptberufliche Schäfer in Baden-Württemberg. Sie beweiden mit ihren Herden etwa 15 Prozent der heimischen Grünlandflächen, überwiegend auf der Schwäbischen Alb und im Nordschwarzwald. Fritz bilanziert, dass sich die Arbeit noch lohne, aber nur in Verbindung mit der Landschaftspflege und den Fördermitteln. „Wir hängen am landwirtschaftlichen Tropf, genauso wie die Weidebetriebe.“

Aber auch das Landschaftsbild ist abhängig, und zwar von den Schäfern. „Denn wir halten die Landschaft offen, sonst ist der Schwarzwald bald nur noch schwarz“, weiß Fritz. Darin sieht Wohlfahrt einen Vorteil für die Schäfer, denn nur durch Verbiss kann dem Vordringen des Waldes entgegengewirkt werden. „Allerdings gehen die Forderungen des Naturschutzes mittlerweile sehr weit, die Bedürfnisse der Tierhalter werden aus den Augen verloren. Das ist alles nicht durchdacht“, sagt der Schäfer, dem auch Wohlfahrt bedingt zustimmt. Wenn ein besonderes Blümchen abgeknabbert werde, könne dies im Rahmen bestimmter Förderprogramme negative finanzielle Folgen für seinen Betrieb haben, kommentiert Fritz die strengen Vorgaben. Auch die Diskussion um den Wolf, der im Schwarzwald vielleicht wieder heimisch wird, sieht er mit anderen Augen als viele Tierliebhaber: „Wir hatten 200 Jahre lang Ruhe vor dem Wolf, warum soll ich die Gefahr für meine Herde in Kauf nehmen, nur weil einige Menschen die Rückkehr des Wolfes herbeisehnen?“ Schlägt ein Wolf zu, kann es teuer werden, insofern das Tier ein besonderes Beutefangverhalten an den Tag legt und die Beweislast einzig beim Tierhalter liegt. Nur bei erbrachtem Nachweis können Viehhalter mit einer Entschädigung rechnen. Anders als behauptet, würde der Wolf nicht nur gefährlich, wenn er angefüttert werde, sondern auch, wenn die Beute leicht zu fassen sei. „Vorschläge wie hohere Weidezäune oder Herdenschutzhunde sind jedenfalls keine Lösung für die Wanderschafzucht“, betont Fritz. Der wird noch bis zum Sommer im Markgräflerland unterwegs sein, bis es wieder in die Steilhänge geht – natürlich zu Fuß.

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