Von Alexandra Günzschel Es ist nicht leicht, sich vorzustellen, was Krieg und Flucht wirklich bedeuten, wenn man es nicht selbst erleben musste. Natürlich wünscht man ein solches Schicksal keinem. Und dennoch kann der Versuch eines Perspektivenwechsels nicht schaden, gerade vor dem Hintergrund der vielen Kriegsflüchtlinge, die derzeit bei uns in Deutschland leben. Und so ist die mobile Klassenzimmerinszenierung „Krieg – stell dir vor, er wäre hier“ vom „Werkraum Schöpflin“ der Schöpflin-Stiftung in Brombach weit mehr als nur ein Theaterstück für Schüler. Es ist auch der Versuch, Empathie zu wecken für die Flüchtlinge in unserem Land. Die Inszenierung für 13- bis 18-Jährige basiert auf dem gleichnamigen Gedankenexperiment der dänischen Autorin Janne Teller. In der deutschen Fassung, so die Annahme, bricht in Europa ein Krieg aus, weil Deutschland aus der EU austreten will. Janne Teller erzählt nüchtern, knapp und in eindrucksvoller Klarheit vom Schrecken des Krieges, von Flucht und Vertreibung – und vom Überleben in der Fremde. Schauspielerin Sibylle Mumenthaler trägt ihr Gedankenexperiment seit einigen Jahren in die Klassenzimmer. Gemeinsam mit den Schülern betritt sie gleich zu Beginn der Inszenierung den verdunkelten Raum und fragt „Was wäre wenn...“ Was folgt ist eine Lawine von Fragen und die Aufforderung, sich vorzustellen, man müsse mit seiner zum Teil erkrankten Familie in den Kellern zerstörter Häuser leben. Erzählt wird die Geschichte von Krieg, Vertreibung und Flucht ins sichere Ägypten unter der Regie von Marion Schmidt-Kumke am Beispiel eines 14-jährigen Jungen. Mal nachdenklich, mal verträumt, mal aggressiv nimmt die Schauspielerin die Schüler mit auf eine Flucht unter umgekehrten Vorzeichen – von Europa in die arabische Welt. Dort angekommen wird es wieder hell im Klassenzimmer. Die Familie ist angekommen in der Fremde, aber in Sicherheit. Die Geschichte geht weiter: Sie erzählt vom langen Warten in der Asylunterkunft, von kulturellen Missverständnissen und rassistischen Anfeindungen. Sie erzählt von Armut und verpassten Chancen und davon, wie es der Familie am Ende doch gelingt, in der Fremde eine Existenz aufzubauen. Zentrales Element ist dabei die direkte Ansprache: Sibylle Mumenthaler sagt „Du“, wenn sie die Hauptperson meint, spricht von „deiner Schwester“ und „deiner Mutter“. Manchmal werden die Schüler aber auch direkt mit einbezogen. Die Schauspielerin fordert sie zum Beispiel dazu auf, ihre persönlichen Gegenstände abzugeben oder sie läuft randalierend durchs Klassenzimmer, schiebt die Tische wild durcheinander. Bei der Nachbesprechung der Inszenierung gibt es unterschiedliche Reaktionen: Betroffenheit, aber auch Abwehr, bis hin zu der Aussage, sich nun besser vorstellen zu können, was Flucht bedeutet.