Kreis Lörrach Dezentralisierung schreitet voran

Die Oberbadische
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Umstrukturierung: Markus-Pflüger-Heim setzt Projekte und Unterstützungszentren im Landkreis um

Das Zeller Wildgehege mit seinen 30 Tieren und dem tollen Ausblick ist eine Oase der Ruhe und Erholung. Dessen Betreuung hat Mitte des vergangenen Jahres das Markus-Pflüger-Heim übernommen, um seinen Bewohnern eine einzigartige Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Ab dieser Woche können sich die Bewohner für die Arbeit im Gehege bewerben. Es ist nur einer der vielen Schritte des Dezentralisierungsprojekts.

Kreis Lörrach. Das Markus-Pflüger-Heim (MPH) als Einrichtung des Eigenbetriebs Heime des Landkreises Lörrach begleitet Menschen mit chronisch psychiatrischen Grunderkrankungen. Seit 150 Jahren gibt es die Einrichtung in Wiechs, doch die Bewohner hatten nur wenig Kontakt zu den Bürgern Schopfheims, und diese wiederum wussten nur wenig über die Heimbewohner. Doch da jeder Mensch ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, startete der Träger im Jahr 2014 ein Dezentralisierungsprojekt.

Unterstützungszentren

Ein neues Zuhause für 32 seelisch beeinträchtigte Menschen bietet seit März vergangenen Jahres das Markus-Pflüger-Zentrum Hochrhein in Rheinfelden, das als erstes der geplanten drei sogenannten Unterstützungszentren bezogen wurde. In diesen Unterstützungszentren soll der Übergang von der Pflege in die Eingliederungshilfe vollzogen und die selbstbestimmte Lebensführung der Menschen in Wohngruppen noch weiter in den Fokus gerückt werden. „Unsere Bewohner sind in Rheinfelden angekommen. Sie fühlen sich wohl und erobern den Ort“, sagt MPH-Leiter Michael Schreiner.

Auf gleiche Entwicklung hofft er bei den beiden weiteren geplanten Unterstützungszentren in Hausen und Schliengen. In Hausen sollen – wie im August im Kreistag beschlossen wurde – 60 vollstationäre Pflegeheimplätze entstehen. Davon sind 45 Plätze für pflegebedürftige Bewohner des Markus-Pflüger-Heims sowie 15 Plätze für pflegebedürftige Senioren aus Hausen und Umgebung vorgesehen. Darüber hinaus sind zwölf Tagespflegeplätze, 32 Plätze der Eingliederungshilfe, Wohnräume für ambulant betreute psychisch erkrankte Menschen sowie Besprechungsräume und Büros für die Verwaltung geplant.

Dass die Umsetzung eines solch großen Projekts nicht ganz einfach ist, hat sich in Hausen gezeigt: Neben einigen kritischen Stimmen aus der Bevölkerung hat eine Bürgerinitiative Anfang dieses Jahres die Durchführung eines Bürgerentscheids beantragt. Ihnen geht es vor allem um ein ausgeglichenes Verhältnis von Pflegeplätzen für Hausener Senioren wie für MPH-Bewohner.

Als dritten Standort hat sich der Landkreis die Gemeinde Schliengen ausgesucht, in der an der Bundesstraße 3 am nördlichen Ortsausgang ein Pflegeheim mit 60 vollstationären Plätzen entstehen soll, wovon 45 Plätze für die MPH-Bewohner und 15 Plätze für die wohnortnahe Pflege von Einwohnern der Gemeinde Schliengen und Umgebung vorgesehen sind. Die Weichen für dieses Bauvorhaben wurden im Oktober gestellt, als sich der Kreistag für den Bau aussprach.

Somit hätte man den vor drei Jahren bereits geäußerten Wunsch, die Dezentralisierung mit Standorten im Markgräflerland, Hochrhein und Wiesental umzusetzen, verwirklicht. Derzeit betreut das MPH insgesamt 245 Menschen. Und diese sind ganz euphorisch, was die Umstruktuierung angeht. „Sie wünschen sich Perspektiven und sind gespannt, was noch kommt“, sagt Schreiner.

Inklusionsperspektiven

Neben der Unterbringung an verschiedenen Standorten und dem Übergang von der Pflege in die Eingliederungshilfe ist die Schaffung von Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit psychischen Erkrankungen in geschützter Umgebung ein ebenfalls wichtiger Aspekt im Dezentralisierungsprojekt.

Eine erste Umsetzung dieses Vorhabens gibt es seit Februar 2016 im Dorfladen Kürnberg zu sehen: Sieben Bewohner des MPH sind hier unterschiedlich viele Stunden pro Woche im Laden tätig – ganz an die individuelle Verfassung angepasst. „Für die Bewohner ist es der erste Schritt wieder raus. Ihr Leben hat nun wieder eine regelmäßige Tagesstruktur bekommen, die auch eingehalten werden muss“, sagt Schreiner. In Kürnberg ist das Ziel der Integration aufgegangen: Ortsvorsteher Martin Gruner nennt die Übernahme des Dorfladens durch das MPH einen „Glücksfall für Kürnberg“.

Ähnlich sieht die Situation in Zell aus: Das Wildgehege ist dort seit über 40 Jahren eine Institution, mehr als 30 Jahre lang wurde es von Gustav Strohmeier betreut, der es im vergangenen Jahr aus Altersgründen abgegeben wollte. Dies rief das MPH auf den Plan, welches das 3,6 Hektar große Gelände mit Rotwild, Damwild und Wildschweinen als perfekten Ort für die Bewohner sah. „Es ist eine sinnvolle Tätigkeit und bringt eine stabilisierende Tagesstruktur in das Leben unserer Bewohner – und die Tiere wollen 365 Tage im Jahr versorgt werden“, sagt Schreiner. Durch die regelmäßigen Besuche von Stammgästen, Kindergartengruppen und Schulen würde auch die Integration gefördert.

Ausschreibung beginnt

Wie schon in Kürnberg sind auch in Zell Alltagsbegleiter, Pfleger oder Erzieher immer mit vor Ort. Diese haben im vergangenen Jahr alles auf Vordermann gebracht und sich mit den anfallenden Tätigkeiten auseinandergesetzt. Diese Woche beginnt die Ausschreibung, auf die sich MPH-Bewohner bewerben können. Dann folgen Auswahlgespräche und Praktika. „Die Freude der Bewohner ist schon zu spüren, sie fühlen sich ernst genommen“, sagt Schreiner, der betont, dass der Eigenbetrieb auch weiterhin auf der Suche nach beruflichen und sozialen Integrationsmöglichkeiten sei.

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