Kreis Lörrach „Ein gut aufgestellter Landkreis“

Die Oberbadische
Heinz Intveen in seinem Heim im Grenzach-Wyhlener Ortsteil Wyhlen. Foto: Jörg Bertsch Foto: Die Oberbadische

Heinz Intveen hat die regionale Politik dreieinhalb Jahrzehnte lang mitgestaltet

Von Jörg Bertsch

Kreis Lörrach. Wenn er nachts schlaflos liegt, liest er gern Herodot (zirka 485 bis 425 v.Chr.), den Vater der Geschichtsschreibung, im griechischen Original. Heinz Intveen ist nämlich Altphilologe. Besser bekannt ist er allerdings als Gemeinderat von Grenzach-Wyhlen seit 43 Jahren, Kreisrat seit 35 Jahren und Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion seit 20 Jahren.

„Das darf doch einfach nicht wahr sein“, grummelt er auch noch sieben Wochen nach der Wahl vom 25. Mai: Vier Kreistagssitze gab es im Wahlkreis 7 zu vergeben. Er, Intveen, hatte die zweithöchste Stimmenzahl von 26 Kandidierenden und hatte dennoch das Nachsehen gegenüber drei Leuten aus anderen Parteien, die zum Teil beträchtlich viel weniger Stimmen verbuchten. Das, findet er, sei doch irgendwie undemokratisch.

Allerdings – Intveen ist ja ein sehr humorbegabter Mensch – räumt er ein, dass das neue Sitzverteilungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers vereinzelt auch den Sozialdemokraten genützt hat und im Kandertal etwa Gabriele Weber (1752 Stimmen) anstelle der FW-Frau Daniela Meier (2411 Stimmen) in den Kreistag gehievt hat.

Aber zurück ins Jahr 1979. Die Kreisreform lag sechs Jahre, der Abschluss der Gemeindereform drei Jahre zurück. In Lörrach herrschte Landrat Otto Leible. Heinz Intveen wurde in eine SPD-Kreistagsfraktion hineingewählt, in der noch die alten Kämpen das Sagen hatten: Michael Christl, der gefürchtete Leserbriefschreiber, Heiner Lederle, Adolf Maier, Meinrad Rümmele und Johannes Pflüger. In den Fraktionssitzungen wurde geschlotet, dass man seinen Gegenüber nicht mehr erkennen konnte. Aber man war schon umweltbewegt – und Intveen saß von Anfang an im Umweltausschuss.

„Wir haben im Landkreis das bleifreie Benzin eingeführt“, erinnert sich Intveen an einen Kreistagsbeschluss, der den Verkauf des damals noch unüblichen Kraftstoffs an einer Tankstelle im Kreis erlaubte. Der Beschluss fiel in Abwesenheit des Landrats. „Leible hat getobt“, sagt Intveen. „Aber als Lothar Späth das Bleifreie später gut fand und den Landkreis für seine Pioniertat auszeichnete, hat Leible den Preis gern entgegengenommen.“ Ein Detail. Sonst aber habe Leible viel Gutes bewirkt.

„Es gab damals noch heiße Wahlkampfgeschichten“, weiß Intveen. Diese parteipolitische Polarisierung habe sich erst unter Landrat Alois Rübsamen gelegt. „Der war der beste Landrat, den ich erlebt habe“, sagt Intveen, schränkt aber gleich ein: „Bei Frau Dammann kann man es der Kürze der Zeit halber noch nicht so genau sagen.“ Rübsamen jedenfalls „wusste, wie Kreisräte ticken. Und er hat auch die Grünen wieder einbezogen. Am Ende seiner Amtszeit war er beliebt bei der Bevölkerung wie keiner zuvor, auch bei den Sozialdemokraten.“

Auch mit Landrat Walter Schneider („Der kann Latein“) hat Intveen gut zusammengearbeitet. „Er hat nicht zuletzt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stark weiterentwickelt. Davon kann Frau Dammann jetzt profitieren.“ Apropos: Lange vor dem Trinationalen Eurodistrict Basel (TEB), in den 1980er-Jahren hat man schon über die Grenzen hinweg gekickt: Der FC Kreistag (mit Spielmacher Albert Schmidt, Goalgetter Herbert Würth, Werner Nuß, Alexander Braun und weiteren Fußballbegeisterten, auch aus der Verwaltung) gegen Mandatsträger-Mannschaften aus Basel-Stadt, Baselland und dem Aargau: „Da hat man sich auf der zwischenmenschlichen Ebene kennengelernt.“

Wobei er den heutigen TEB-Districtsrat schon vermissen wird: „Da wird offen und öffentlich diskutiert. Man kommt langsam und manchmal mühsam, aber stetig vorwärts. Und das ,verre de l’amitié‘ am Ende jeder Sitzung ist einfach eine schöne Geste.“

Heute sieht Intveen einen gut aufgestellten Landkreis, dessen Verwaltung durch die Eingliederung der Sonderbehörden stark gewachsen „und mit Spitzenleuten besetzt ist. Wenn ich nur an den jüngsten Haushalt denke: Klasse, wie klar der uns dargelegt wurde!“

Natürlich wird auch die Arbeit der Kreisparlamentarier immer anspruchsvoller. Was einer da nur schon lesen muss, damit er auf dem Laufenden bleibt, ist enorm. Professionelle Unterstützung – zum Beispiel für Sekretariatsarbeiten – wäre eigentlich nötig. So, wie es jetzt läuft, können einen Fraktionsvorsitz eigentlich nur Pensionäre ausfüllen. Oder Leute, die auf einen Verwaltungsstab zurückgreifen können. Ein Rentner-Kreistag ist aber alles andere als wünschenswert, im Gegenteil, allen Fraktionen täte eine Verjüngung gut.

Alles in Allem blickt Intveen zufrieden zurück. Sein Abschied ist nun zwar nicht zu einem Zeitpunkt gekommen, den er sich selbst ausgesucht hat; aber wie sagte schon der alte Herodot: „Nur sehr wenige Dinge ereignen sich zur rechten Zeit, und alles Übrige ereignet sich überhaupt nicht.“

Heinz Intveen, geboren 1942 in Kleve am Niederrhein, hat 1962 in Freiburg im Breisgau das Latein- und Griechisch-, später auch das Geschichts-Studium aufgenommen und 1968 das 1. Staatsexamen in Latein und Geschichte gemacht. Nach dem Referendariat und dem 2. Staatsexamen kam er 1969 ans damalige Progymnasium Grenzach. 1996 wurde er Leiter des Georg-Büchner-Gymnasiums Rheinfelden, seit 2006 ist er pensioniert. In den Rat der damals noch selbstständigen Gemeinde Grenzach kam er 1971, in den Kreistag 1979; seit 1994 führte er dort die SPD-Fraktion.

Intveen lebt in zweiter Ehe in Grenzach-Wyhlen und hat fünf Kinder.

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