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Kreis Lörrach „Grenzgänger werden schlechter bezahlt“

Die Oberbadische
Grenzgänger profitieren erst einmal vom Franken-Kurs. Auch langfristig? Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Grenzgänger-Info-Vorstand sieht Lohnunterschiede in Schweizer Betrieben / Neuer Faktor 1,7 / Folgen für den Wohnungsmarkt

Regio. Wer diesseits der Grenze in Euro entlohnt wird, blickt derzeit neidisch auf die „Lohnerhöhung“, die Grenzgänger durch die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank erhalten haben. Rolf Eichin, Vorstand des Vereins Grenzgänger-Info mit Sitz in Lörrach, relativiert den Lohnsprung – vor allem mit Blick auf einen möglichen Jobabbau.

Im Gespräch mit Regio-Redakteur Marco Fraune liefert er eine Einschätzung, wie die Reaktionen und Rahmenbedingungen zu bewerten sind.

Wird die Zahl der Grenzgänger nun deutlich nach oben schnellen?

Die Zahl wird sich außerhalb des Rahmens, in dem sie sich sowieso bewegt hätte, nicht verändern. Es wäre möglich, dass sie sogar stagniert. Verschiedene Branchen in der Schweiz werden Probleme haben, ihre Produkte zu verkaufen. Als erstes wird es dann einen Einstellungsstopp geben. Im zweiten Zug könnten Stellen abgebaut werden. Dann stellt sich die Frage, wer muss zuerst gehen?

Ist es dennoch sinnvoll, nun nach einem Job in der Schweiz Ausschau zu halten?

Wir halten es immer für sinnvoll, auch in der Schweiz zu schauen. Aber nur wegen des starken Frankenkurses verstärkt dort zu suchen, halten wir nicht für sinnvoll, weil wir davon ausgehen, dass Neueinstellungen in absehbarer Zeit so nicht stattfinden werden.

Der oberste Gewerbler aus dem Aargau, Gewerbepräsident Kurt Schmid, hat bereits vorgeschlagen, Grenzgänger geringer zu bezahlen. Wird dieser Vorschlag Ihrer Einschätzung nach Unterstützung auf der Schweizer Seite erfahren?

Nein. Die Firma Stöcklin AG in Aesch ist sowohl dem Kantonsgericht als auch vor dem obersten Gericht in der Schweiz mit ihrem Ansinnen gescheitert, die Personengruppe Grenzgänger anders zu bezahlen als die Personengruppe Schweizer, weil dies einen Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommens mit der EU bedeutet.

Aber es ist doch de facto so, dass Grenzgänger schlechter bezahlt werden.

Ich gehe davon aus, dass Grenzgänger durch die Bank weg alle schlechter bezahlt werden als die Schweizer Arbeitnehmer. Aber: Der Nachweis darüber ist schwierig. Das Lohngeheimnis ist ein größeres in der Schweiz als das Bankgeheimnis. Daher ist die unterschiedliche Bezahlung eine persönliche Einschätzung von mir.

Der Wechselkurs ist das eine, aber es spielen noch andere Faktoren für Arbeitnehmer eine Rolle – wie die Zahl der Urlaubstage und der Arbeitszeiten? Was muss ein Grenzgänger verdienen, damit sich der Weg über die Grenze lohnt?

Wir haben einen Faktor 1,7. Wenn ein Arbeitnehmer derzeit 3000 Euro verdient, muss er in der Schweiz schon rund 5100 Franken bis 6000 Franken erhalten. Unter 1,7 würde ich persönlich nicht in die Schweiz gehen. Wobei der Faktor früher bei 2,2 lag.

Wie sind die ersten Reaktionen, die Sie bei Ihren Info-Gesprächen vernehmen konnten?

Vor unserem Gespräch hat sich eine Grenzgängerin über ihre „Lohnerhöhung“ gefreut. Was sehr kurios ist: Am Montag hatte ich gleich mehrere Anrufe von Leuten, die in der Schweiz wohnen und sich nun Gedanken machen, ob sie nicht nach Deutschland zurückkehren sollen.

Wird es also nun viele Deutsche und Schweizer in die deutsche Seite der Grenzregion ziehen, womit Sie einen hohen Lohn und geringere Kosten haben?

Das war durchgehend bei den genannten Telefonaten der Fall, dass alle Familien mit dem Gedanken Immobilienerwerb gespielt haben. Sie stellten dann natürlich bei der Suche fest, dass die Immobilienpreise auf der deutschen Seite deutlich niedriger sind als auf der Schweizer. Dieser neue Wechselkurs hat dem Ganzen wohl noch mehr Antrieb gegeben, dass sie sich kurzfristig nun um eine Immobilie kümmern. Zu beachten ist hier natürlich die Frage, wie hoch die Steuerbelastung ist. Erst einmal muss man das Frankeneinkommen nun eins zu eins in Euro umrechnen. Und: Bis zu 40 Prozent von diesem Kursgewinn geht ans Finanzamt.

Rechnen Sie damit, dass sich der Druck auf den Wohnungsmarkt in Lörrach, Weil am Rhein und weiteren Kommunen im Landkreis verstärken wird?

Es wird noch einmal härter werden. Wir können uns über jede Baugenehmigung, die Gemeinden hier im Umfeld geben, freuen sowie darauf setzen, dass die Wohnungen bald zur Verfügung stehen.

Sind Sie ein bisschen überrascht, dass die deutschen Grenzstädte am Wochenende nicht von Schweizer Einkaufstouristen überrannt wurden?

Das war dem Wetter geschuldet. Oder vielleicht muss das auch erst einmal realisiert werden.

Rechnen Sie in der Zukunft für die Grenzgänger Info mit einer höheren Beratungszahl?

Zum Franken gibt es ja nichts zu sagen. Da ich der Meinung bin, dass die Neueinstellungen in den Gewerken, die vom Frankenproblem betroffen sind, ausbleiben, rechne ich bei uns nicht mit einer erhöhten Beratungsnotwendigkeit – eher, wenn dann doch der eine oder andere Grenzgänger entlassen wird. Ich hoffe aber nicht, dass dies hohe Fallzahlen werden.

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