Die Einführung eines automatisierten Verfahrens in der Mehrwertsteuer-Rückerstattung ist ins Stocken geraten. Mit einer gestern veröffentlichten Studie will die Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee dringenden Handlungsbedarf aufzeigen und zudem vor den negativen Folgen einer möglichen Bagatellgrenze warnen. Von Michael Werndorff Kreis Lörrach. Die Politik müsse wach gerüttelt werden, betonten die Autoren Uwe Böhm, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Schopfheim, und Bertram Paganini, Geschäftsführer bei der IHK in Konstanz und Experte für Handel und Dienstleistungsbetriebe. „Es geht nicht um Peanuts, sondern um das Ganze“, kommentierte Böhm die negativen Folgen einer möglichen Bagatellgrenze auf das Gewerbe, den Beschäftigungseffekt sowie das vielfältige Einkaufsangebot in den Städten. In der 21 Seiten starken Studie „Abhängigkeit des Einzelhandels in der Region Hochrhein-Bodensee vom Einkaufsverhalten der Kunden aus der Schweiz – Eine Abschätzung“ geben die IHK-Vertreter unter anderem einen Überblick über Einzelhandelsumsatz, Beschäftigungseffekte sowie Einkaufsverhalten der Schweizer. Der gesamte Umsatz in der Region Hochrhein-Bodensee von Konstanz bis Schliengen liegt bei 4,3 Milliarden Euro, 1,6 Milliarden steuern die Schweizer bei. Deren Kaufkraftpotenzial spiele insbesondere für Einzelhändler eine wichtige Rolle, sagte Böhm. Während im Landkreis Konstanz der Kaufkraftzufluss 12,8 Prozent beträgt, erreicht dieser im heimischen Landkreis 7,1 Prozent und in Waldshut drei, zeigen aktuellen Erhebungen. Allein im Landkreis Lörrach wird ein Einzelhandelsumsatz von rund 1,5 Milliarden Euro für das Jahr 2016 erwartet, davon 37 Prozent durch Schweizer Kunden, wie Böhm erläuterte. Schweizer seien preissensible Kunden, verwies der Experte für Handel und Dienstleistungsbetriebe auf unmittelbare negative Folgen, würde eine Bagatellgrenze eingeführt, bei der die Mehrwertsteuer unterhalb einer bestimmten Einkaufssumme nicht mehr zurück erstattet wird. Gerade bei kleinen Facheinzelhändlern könne die Grenze zu Umsatzeinbußen führen. Zudem lasse sich die Angebotsvielfalt vielerorts nur aufgrund der Schweizer Kunden aufrechterhalten; ein weitere Aspekt sei die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt. Bei einem nachlassenden Kaufkraftzufluss aus der Alpenrepublik können Neubewertungen von Immobilien ungünstiger ausfallen, erklärte Paganini. Auch für die Einführung eines automatisierten Verfahrens in der Mehrwertsteuer-Rückerstattung wäre eine Bagatellgrenze kontraproduktiv: „Dadurch wird sich die Investition in ein technisches Verfahren nicht mehr lohnen“, warnte der Handelsexperte. Die Einführung ist bereits ins Stocken geraten: War für dieses Jahr bereits eine Ausschreibungsverfahren und für 2017 in der Region eine Pilotphase vorgesehen, herrscht derzeit nahezu Stillstand. Nun sei die Zollverwaltung am Zug, erklärte Böhm. Positive Signale müssten zudem von Seiten der Lokal- und Kreispolitik ausgehen, sieht er unter anderem den Regionalverband unter Führung von Landrätin Marion Dammann in der Pflicht. Das Thema müsse auf regionaler Ebene angegangen und eine deutliche Botschaft nach Stuttgart und Berlin transportiert werden. Zudem hoffen die IHK-Geschäftsführer auf ein Machtwort von Finanzminister Wolfgang Schäuble, um eine bundesweite Lösung zu finden. Allerdings könnte die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu einer weiteren Verzögerung bei der Aufgleisung einer Pilotphase führen. Ein automatisiertes Verfahren wäre eine Win-Win-Situation, sind sich die IHK-Vertreter einig, so könnte es zu einer schnellen Abfertigung der Schweizer Kunden und einer Entlastung der Zöllner kommen. Zudem wäre für die Händler das Problem der Aufbewahrungspflicht vom Tisch, meinte Paganini.