Kreis Lörrach „Keine Ausbildung zweiter Klasse“

Die Oberbadische
Landeswirtschaftsminister Nils Schmid will die Potenziale von Frauen, Älteren und Migranten stärker nutzen. Fotos: Marco Fraune Foto: Die Oberbadische

Kongress „Fachkräfte finden und binden“: Minister setzt auf Stärkung beruflicher Aus- und Weiterbildung

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. Für eine Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung inklusive einer Reformierung des Übergangsbereichs von den allgemeinbildenden Schulen ins Berufsleben hat sich gestern Landeswirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) ausgesprochen. Im Rahmen des Kongresses „Fachkräfte finden und binden“ im Burghof Lörrach unterstrich der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg außerdem die Notwendigkeit, stärker die Potenziale von Älteren, Frauen und Migranten zu nutzen.

Landrätin Marion Dammann und Lörrachs Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm warben hingegen beim Land um Unterstützung der Region bei den anstehenden Herausforderungen. Als Stichworte nannte die Landrätin die Themen Bildung, Verkehr, Kinderbetreuung oder auch Nahversorgung und medizinische Versorgung. „An allen Themen müssen wir gemeinsam arbeiten, und ab und zu brauchen wir die Hilfe des Landes.“ Heute-Bluhm ergänzte den Ruf in Richtung Stuttgart zudem mit dem Aspekt, dass die heimische Region die Aufmerksamkeit der Studenten und der Unis benötige. „Da sind wir auf Ihre Hilfe als Wirtschaftsministerium angewiesen“, warb die Lörracher Oberbürgermeisterin bei Schmid um Unterstützung.

Der Wirtschaftsminister sieht die Fachkräfte als „Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg“. Doch im Land bestehe ein immer größer werdender Mangel. Die Fachkräftesicherung sei aus wirtschaftspolitischer und unternehmerischer Sicht wichtig. Im Blick hat Schmid dabei auch rund 30 000 Jugendliche, die zuletzt nicht den direkten Sprung von der Schule in die Ausbildung gemacht hätten. „Wir müssen den Übergangsbereich reformieren.“ So soll laut Schmid die berufliche Orientierung in weiterführenden Schulen gestärkt werden – wobei er auf die duale Ausbildung setzt. „Ein Meister- und Technikerabschluss ist mindestens genauso viel wert, wie ein Hochschulabschluss. Die berufliche Ausbildung ist keine Ausbildung zweiter Klasse.“

Um Frauen als Fachkräfte in die Berufe zu holen, setzt der Minister auch auf den Ausbau der Kinderbetreuung. Nach den Krippen geraten nun die Schulen in den Blick. Man wolle den Ganztag an Schulen, vor allem an Grundschulen – eine „ganztägige verlässliche Betreuungs- und Bildungskultur“. Während die Lörracher Landrätin und Oberbürgermeisterin einen Appell in Richtung Land lieferten, richtet der Wirtschaftsminister seinen Blick nach Berlin. Die neue Bundesregierung werde nicht umhin kommen, den Ländern und Kommunen deutliche Hilfestellung zu liefern. „Alleine können wir die Herkulesaufgabe nicht stemmen.“

Für eine „qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften“ sprach sich Schmid ebenso aus – wobei die Förderung der eigenen Talente einen enormen Stellenwert habe, auch die Potenziale von Migranten. Denn für ihn steht fest: „Die strukturellen Herausforderungen des Fachkräftemangels überlagern die konjunkturelle Lage.“ Selbst wenn die Wirtschaft schwächelt, sei das Halten der eigenen Mitarbeiter wichtig – was so in der Wirtschaftskrise praktiziert worden sei. Die kleineren Unternehmen könnten den Fachkräften zwar nicht immer so viel bezahlen, doch flachere Hierarchien, die familiäre Struktur sowie eine eventuelle Möglichkeit, den Betrieb später einmal zu übernehmen, sieht Schmid als Vorteile an.

Wichtig vor allem für den ländlichen Raum sei eine gute Verkehrsinfrastruktur, was er als „weitere zentrale Maßnahme“ bezeichnete.

Der Minister lobte die Wirtschaftsregion Südwest, die auch mit dem Ministerium den Kongress veranstaltet hatte, für ein „vorbildliches Projekt“, das individuelle Strategien entwickelt, um weitere Fachkräfte zu gewinnen. Auch warb er für die Ende 2011 vom Land gegründete Allianz für Fachkräfte Baden-Württemberg, die in den Landkreisen Lörrach und Waldshut im April 2013 auch als regionales Projekt an den Start ging. Es soll Strategien bieten, wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann. Für die Zukunft sei neben der guten Verkehrsanbindung und einer guten Bildungsstruktur auch das Kulturangebot in der Fläche wichtig, ergänzte der Minister.

Die Besonderheiten des Landkreises Lörrach hatte Landrätin Marion Dammann in ihrer Begrüßungsrede herausgestellt. So arbeite ein Viertel der Erwerbstätigen in der Schweiz – gut 24 000 Grenzgängerbewilligungen gebe es. Das sei „nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund“, warum man sich des Themas Fachkräftemangel annehme. Denn die Grenzgänger würden der heimischen Wirtschaft als Fachkräfte fehlen. „Das ist eines der größten Wachstumshindernisse der heimischen Unternehmen.“ Vor allem die Betriebe im ländlichen Raum seien davon betroffen.

An dem Fachkräftekongress Südbaden „Fachkräfte finden und binden“ nahmen mehr als 200 angemeldete Gäste im Burghof Lörrach teil. Neben Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) trat auch der Chefscout des SC Freiburg, Klemens Hartenbach, als Redner auf – und bot Einblicke, wie Fachkräfte gefunden und gebunden werden können. Das Projekt „well@work“, eine Initiative zur Förderung der Arbeitsfähigkeit, stellte Alfred Lukasczyk vor, Leiter des Globalen Projektes. Eine Gesprächsrunde widmete sich außerdem der „Personalpolitik im demografischen Wandel“, bevor es noch um die Mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur ging, über die Wilfried Köning von Endress + Hauser sprach.

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