Kreis Lörrach Mehr Menschen brauchen Hilfe

Die Oberbadische

Suchthilfe im Landkreis sieht steigenden Missbrauch beim Medienkonsum / „Stoßen an Kapazitätsgrenze“

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. Ein deutliches Plus an Betreuungen, mehr Erstkontakte und eine Zunahme im Bereich der Angehörigenberatung bei Glücksspielen und schädlichem Medienkonsum: Positiv wirkt sich der vom Landkreis im Jahr 2013 initiierte Teilhabeplan 3 aus, haben gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts 2014 Dagmar Nicolai und Rebekka Steimle von der Fachstelle Sucht resümiert.

Mit dem Jahr 2014 sind die Ziele und Inhalte des „Teilhabeplans 3 Sucht“ in der Praxisphase angekommen. Der Kreis will mehr Lebensqualität von Suchtkranken sowie Teilhabe an Gemeinschaft und Arbeit ermöglichen. Damit verbunden war durch die Konzentration auf ausschließlich legale Suchtmittel eine neue Aufgabenverteilung, die sich laut Steimle, Leiterin der Fachstelle Sucht und Drogenhilfe Drehscheibe, positiv auswirkt: „Wir erreichen jetzt mehr Menschen mit unseren umfangreichen Hilfs- und Beratungsangeboten, zudem haben sich die Kontakte zu unseren Kooperationspartnern verdoppelt. Der Bedarf ist wirklich groß.“ Allerdings stößt die Einrichtung mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen.

Gegenüber 2013 verzeichnete die Stelle eine Zunahme von 20 Prozent: 215 Personen haben vergangenes Jahr erstmals den Kontakt gesucht und 794 längerfristige Betreuungen wurden gezählt (plus 22 Prozent). Aber es wurden auch 363 Betreuungen beendet, davon rund 60 Prozent mit einer deutlichen Verbesserung der Problemlage. „Alkohol steht als legales Suchtmittel immer noch an oberster Stelle gefolgt von Arzneimitteln und Tabak“, betonte die Leiterin. 20 Prozent der Hilfesuchenden stammen aus Rheinfelden, berichtete Steimle, wo anstelle der früheren Jugend- und Drogenberatung mittlerweile eine Außenstelle der Suchthilfe eingerichtet wurde.

Als zunehmende Herausforderung sieht man den abhängigen Mediengebrauch: „Das ist ein Bereich, der deutlich zunimmt“, unterstrich Steimle. „Erste Therapieanträge laufen, aber die Beurteilung ist immer auch eine Gratwanderung. Denn, was noch im Normalbereich liegt, lässt sich nicht so einfach sagen.“

Schon leichter kann die Wohnungssituation von vielen Suchtkranken beurteilt werden: „Oftmals müssen wir Feuerwehr spielen, wenn Mahnschreiben missachtet, der Strom abgestellt wird oder sogar Obdachlosigkeit droht“, erklärte Nicolai, stellvertretende Leitung der Drogenhilfe Drehscheibe. Bezahlbarer Wohnraum sei ein großes Thema bei der Unterstützung im Alltag. „Immer mehr Menschen nutzen unseren Mittagstisch und Waschmöglichkeiten.“ Den Grund sehe man in nicht dauerhaft abgesichertem Wohnraum, erklärte Nicolai. Man finde eher einen Job als eine bezahlbare Wohnung. Erschwerend komme hinzu, dass viele Suchtkranke zudem auf Hart-IV angewiesen seien und die Erstattung der Mietkosten auf 310 Euro gedeckelt worden ist.

Aber es gibt für das zurückliegende Jahr auch Positives zu berichten: Acht Menschen konnten in stationäre Rehabilitationsmaßnahmen vermittelt werden, bilanzierte Nicolai. Beim Angebot der Drehscheibe gehe es um eine Überlebenshilfe und Motivation zur Veränderung. Kleine Schritte seien schon ein großer Erfolg, denn Drehtüreffekte seien keine Seltenheit.

„Mit unserem Angebot erreichen wir hauptsächlich Menschen im Alter von 25 bis 50. 90 Prozent unserer Klienten sind Männer, knapp 70 Prozent von ihnen wohnen in Lörrach“, erklärte Nicolai.

Zwar erfahre man finanzielle Unterstützung vom Landkreis, dennoch bleibe der Druck bestehen. „Deswegen haben wir ein Spendenprojekt ins Leben gerufen als Alternative zu einem Förderverein“, erklärte Steimle. Ziel ist es, das Interesse an der Arbeit der Suchthilfe zu wecken, möglichst viele Menschen im Kreis anzusprechen und fehlendes Einkommen durch den Verkauf von Sozialakten zu kompensieren.

Die Fachstelle Sucht mit der Zentrale in Lörrach und mit Außenstellen in Rheinfelden und Zell im Wiesental sowie der Sprechstunde im Kreiskrankenhaus Schopfheim bietet ein altersunabhängiges Beratungs- und Behandlungsangebot für Betroffene und Angehörige bei Problemen mit allen legalen Suchtmitteln. Die Drogenhilfe Drehscheibe zeichnet sich durch ihren niederschwelligen Zugang aus. Angeboten wird eine Unterstützung mit dem Ziel, Schaden für chronisch Suchtmittelabhängige zu mindern. Neue Themenfelder seit 2014 sind altersunabhängige Angebote, Glücksspielerberatung, abhängiger Mediengebrauch und substanzunabhängige Angebote.

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