Kreis Lörrach Mit Krisen voran kommen

Die Oberbadische
Wolfgang Schäuble referierte in Basel. Foto: Marco Fraune Foto: Die Oberbadische

Europa: Finanzminister Schäuble gibt sich an Basler Uni als Optimist

Von Marco Fraune

Trotz Eurokrise, Flüchtlingskrise und weiteren Problemen auf dem europäischen Kontinent gibt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Optimist. Die EU schafft das schon, lautet seine Botschaft in Basel.

Regio. Mögliche Fehler in der Vergangenheit kritisiert der mittlerweile 73-jährige Minister nicht. Schließlich saß er bei vielen Entscheidungen mit am Tisch, gibt er im voll besetzten Hörsaal der Basler Universität mit einem Augenzwinkern zu. Seine Zielrichtung ist an diesem Dienstagabend auch eine andere: Die zahlreichen Krisen bewertet Schäuble als Chancen. Er ist nach außen hin optimistisch: „Europa wird voran schreiten.“ Wenn es nach dem Applaus der mehreren hundert Zuhörer geht, die der Einladung des Basler Europainstituts und der Handelskammer beider Basel folgten, erhält der Redner aus Berlin für diesen Optimismus Unterstützung.

Statt für einen Beitritt der Eidgenossen zur EU zu werben, streift er deren Rolle nur am Rande. Die Schweiz wisse, dass das Tor offen ist und den Rest entscheide die Schweiz selbst, hält er sich mit Avancen zurück. Stattdessen bietet der Bundesfinanzminister einen Eindruck davon, wie er die Zukunft der EU sieht. Die Leitfrage des Abends, „Wie weiter mit der Europäischen Union“, beantwortet er zu Beginn mit einem Satz: „So wie bisher auch: mühsam, kompliziert, schwerfällig in Krisen und weiter Schritt für Schritt voran.“ Dass Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam gefunden werden müssen, steht auch für Uni-Rektorin Andrea Schenker-Wicki fest, die auch die Schweiz als „integralen Bestandteil Europas“ sieht.

Die Auswirkungen der Migrationskrise werde alle noch lange beschäftigen, führt der Minister aus. Dass so viele Menschen Zuflucht in Deutschland suchen, bezeichnet Schäuble als „Rendezvous mit der Globalisierung.“ Jetzt würden die Menschen die Globalisierung spüren. Es handele sich dabei um ein Problem, das nicht national zu lösen sei.

Das Türkei-Abkommen sei „die einzig denkbare Lösung“. Und: „Es wird funktionieren.“ Schließlich könne sich Europa nicht vor den Herausforderungen wegducken. „Schrittweise, mühsam, kompliziert und unvollkommen“ sehe die Lösung aus. Ein stärkeres Engagement Europas bei der Bewältigung der Herausforderungen wird benötigt, stellte der CDU-Mann auch bei diesem Punkt heraus.

Fünf Bemerkungen als zentrale Botschaften

Mit insgesamt fünf Bemerkungen wartet Schäuble in der Uni auf, seine zentralen Botschaften in Basel. Erstens: „Die EU geht weiter, aber langsam und schwerfällig.“ Für die Zukunft setzt Schäuble auf europäische gemeinsame Verfahren bei der Anerkennung von Flüchtlingen, einheitliche Standards für Sozialleistungen, eine fairere Beteiligung an den Sozialleistungen sowie mehr finanzielles Engagement.

Als zweiten Punkt fordert der Finanzminister eine stärkere Außen- und Sicherheitspolitik ein. „Kein europäisches Land kann es alleine.“ Europa müsse mehr tun. Angesichts der zunehmenden Verflechtungen in der Welt könnten die Nationalstaaten die Herausforderungen nicht alleine lösen. „Die Nationalstaats-Rolle wird nicht obsolet, doch der Nationalstaat alleine reicht nicht aus“, verwies er auf grenzüberschreitende Erscheinungen wie Geldwäsche, Bankenregulierung, Steuermissbrauch. „Wir werden Nationalstaaten nicht abschaffen, sondern ergänzen.“

Um die Euroskepsis der Bürger weiß der aus Baden-Württemberg stammende Minister aber auch, wie er als dritten Punkt bemerkte. Und diese Vorbehalte könnten noch zunehmen. Dabei habe Deutschland vom Euro wie kein anderes Land in Europa profitiert, wirbt Schäuble bei den Bürgern. Auch glaubt er nicht, dass die Mehrheit für die Abschaffung des Schengen-Abkommens wäre, also auch der gerade im Dreiländereck zentralen Personenfreizügigkeit. In der Außen- und Sicherheitspolitik müssten pragmatisch intergouvernemental und mit flexiblen Lösungen die Aufgaben bewältigt werden, hofft Schäuble auch hier darauf, dass ein Durchlotsen zum Ziel führen wird.

Lange, schwierige, unruhige Strecke

Mit der Bewahrung der wirtschaftlichen Relevanz könne die EU ein Schwergewicht bleiben. Zwar kennt Schäuble als profilierter Politiker die Konstruktionsmängel der Währungspolitik, doch da eine Änderung der Lissabonner Verträge nur einstimmig in der EU erfolgen könne, müsse man mit den Strukturen arbeiten, die gegeben seien – so auch mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei der Sicherheitspolitik erkennt Schäuble zwar schon ein Stück weit den Weg in Richtung europäischer Armee, doch zunächst müssten die Menschen noch mehr von dem europäischen Mehrwert überzeugt werden.

„Es wird eine ziemlich lange, schwierige, unruhige Strecke vor uns liegen, doch wir werden in der Krise immer wieder voran kommen“, ist sich der 73-jährige Minister sicher. „Europa bewegt sich am Ende doch.“ Denn Europa sei immer nach großen Katastrophen voran gekommen. „Krisen sind eine Chance.“ Selbst einen Brexit, also einen Austritt Großbritanniens, würde Europa vertragen, glaubt Minister Schäuble. Dieser würde nur einen neuen Ansatz erzwingen. „Am Ende hat Europa keine vertretbare rationale Alternative.“

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