Erst einmal gibt es hier eine extrem große Rechtsunsicherheit im Verfahren zur Vergabe der Konzession und auch in der Frage der Partnersuche. Man muss sich das so vorstellen: Sie fahren auf einer Straße, auf der ein Schild steht mit der Aufforderung „Sie dürfen hier nicht zu schnell fahren.“ Sie fahren da entlang und bekommen eine Anzeige, dass Sie zu schnell gefahren sind. Auf die Frage, wie schnell Sie hätten fahren dürfen, erklärt ein Richter, dass Sie unter den herrschenden Witterungsbedingungen und um diese Tagszeit zehn km/h zu schnell gefahren sind. Sie fahren in einer Woche wieder über diese Straße, allerdings zehn km/h langsamer und landen nach einer erneuten Anzeige trotzdem wieder vor Gericht. Dann sagt der Richter, es habe geregnet, es sei dunkel gewesen, und bestraft sie wieder.
So ist es auch mit der Vergabe von Konzessionen. Es besteht eine große Unsicherheit, wie der Vergabeprozess diskriminierungsfrei abzulaufen hat. Und jedes Mal nach einer Klage und nach einem erneuten Urteil steht man wieder vor diesem Dilemma. Die Unbestimmtheit räumt der Gesetzgeber auch nicht aus, sondern nimmt in Kauf, dass durch Gerichtsverfahren ausgestaltet wird, wie ein solches Verfahren abzulaufen hat, was erlaubt ist und was nicht. Damit wird meiner Meinung nach der Anspruch einer Kommune, über ihre Konzession selbst zu entscheiden und selbst zu gestalten, was sie mit ihrer Energieinfrastruktur machen will, stark eingeschränkt.
Das heißt, es gibt keine verbindlichen Richtlinien, wie ein solches Vertragswerk aussehen muss?
Nein, es gibt nur den Anspruch, dass die Konzession diskriminierungsfrei vergeben werden muss. Und was diskriminierungsfrei ist, das gestaltet dann die Rechtsprechung aus. Hier gibt es sozusagen jedes Jahr ein neues Urteil, was dazu führt, dass die Verfahren, wie sie bisher abgelaufen sind, wieder und wieder geändert werden müssen. Dadurch ist es extrem kompliziert. Deswegen müssen wir uns in all diesen Fragen extreme Zurückhaltung auferlegen. Wir schauen uns in jedem Fall ganz genau an, was die Stadt an Verfahren mit ihrer Rechtsberatung definiert.
Jetzt komme ich zu Ihrer eigentlichen Frage von Chancen und Risiken. Ich denke, es war schon immer wichtig, dass Kommunen sich über ihre Infrastruktur Gedanken gemacht und mitgestaltet haben. Dazu gehört auch das Thema Energie. Um es nochmal zu betonen: Wenn man das geschickt macht, dann kann eine Kommune in der Größenordnung von Lörrach trotz Regulierung sehr wohl ein Stromnetz wirtschaftlich erfolgreich im Eigentum haben. Voraussetzung ist ein verlässlicher und guter Partner, der das technische Know-how und das Wissen hat, den Netzbetrieb wirtschaftlich zu gestalten. Eine Kommune allein kann das gar nicht alles im Detail wissen. Wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind, ist die Übernahme des Stromnetzes eine absolut sinnvolle und nachvollziehbare Entscheidung.
Wo sehen Sie denn die Grenzen bei der Größe für eine Kommune?
Es gibt da keine absolute Größe. Kommunen, die diesen Weg gehen, müssen sich allerdings im Klaren darüber sein, dass sie hinterher in der Gestaltung nicht so frei sind, alles machen zu können, was ihnen richtig erscheint. Der Regulierer setzt den Stromnetzbetreibern durchaus enge Grenzen. Eine Kommune muss sich immer überlegen, ob sich ein solcher Schritt lohnt. Wenn zum Beispiel am Jahresende rechnerisch 30 000 Euro übrig bleiben, stellt sich schon die Frage, ob es Sinn macht, derartige Risiken einzugehen. Es gilt, in einem solchen Prozess eine Fülle von Faktoren zu berücksichtigen. Dazu zählen die Netzentgelte, die Topografie des Versorgungsgebietes, die Zahl der Haushalte, der Wert des Netzes und vieles mehr.
Was würde die Stadt Lörrach die Netzübernahme kosten?
Das kann man derzeit noch nicht sagen. Ich schätze einmal, dass das ein zweistelliger Millionenbetrag ist.
Grenzach-Wyhlen will gemeinsam mit Rheinfelden sein Stromnetz ebenfalls übernehmen. Dort steht eine Rendite von fünf Prozent im Raum. Halten Sie das für realistisch?
Das ist von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich und hängt viel von den Rahmenbedingungen ab. Genaues kann man erst wissen, wenn man sich das Netz angeschaut hat, den Kaufpreis des Netzes, die Netzentflechtung und die Höhe der Instandhaltungskosten kennt – um nur einige Parameter zu nennen. Vorher kann man da nur ganz grobe Schätzungen anstellen.
Würden Sie grundsätzlich die Aussage des Grenzach-Wyhlener Bürgermeisters Benz bestätigen, der sagt: In den Netzen wird das Geld verdient, deshalb wollen wir sie haben?
Für diejenigen, die die Netze schon haben, ist es sicherlich so, dass in den Netzen auch Geld verdient wird. Wenn man ein Netz kauft und neu anfängt, ist die Rendite auf jeden Fall geringer, aber man kann trotzdem Gewinne erzielen. Allerdings wissen wir nicht, wie sich das Thema Energie entwickelt. Wenn zum Beispiel die Elektromobilität in großem Stil kommt, muss möglicherweise sehr viel in die Netze investiert werden. Das könnte einige Kommunen durchaus vor Probleme stellen.
Wie bewerten Sie die kontrovers geführte Diskussion um Windkrafträder im Südschwarzwald, zum Beispiel in Gersbach?
Wir legen die Standorte für Windräder nicht fest, sondern wir bauen dort Windräder, wo ein geeigneter Standort definiert wurde. Ich persönlich wohne in Gundelfingen sozusagen direkt unter vier Windrädern und habe die Proteste anfangs mitbekommen und auch, wie die Windräder jetzt zu einem normalen Teil des Landschaftsbildes geworden sind. Wenn ich mich entscheiden muss, ob ich eine Radtour am Neckar mache und die Kraftwerke der ENBW abfahre oder mir die vier Windräder anschaue, dann präferiere ich eindeutig die vier Windräder.
Der wachsende Einsatz regenerativer Energien mit ihren Schwankungen birgt auch Risiken für die Netzstabilität. Was muss getan werden, um die Energieversorgung künftig verlässlich zu gewährleisten?
Wir kommen noch ganz gut klar mit den dezentralen Einspeisungen in unsere Netze. Da stehen andere Versorger vor größeren Herausforderungen. Und hoch oben im Norden Deutschlands gibt es ganz andere Probleme mit der Netzsteuerung, gerade durch die schwankenden Einspeisemengen. Klar ist, dass die Herausforderungen an die Netze größer werden. Je mehr Strom dezentral eingespeist wird, desto mehr Schwankungen gibt es, und desto mehr muss in die Netze eingegriffen werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Und was muss für die unbedingt notwendige Versorgungssicherheit und Netzstabilität konkret getan werden?
Ganz wichtig ist es, dass die großen Transportprojekte, also die Nord-Süd-Trassen, zügig umgesetzt werden. Dann ist es wichtig, dass wir die entsprechenden Anreize von der Regulierung bekommen, damit wir den Ausbau der Verteilnetze auch wirtschaftlich stemmen können. Dafür müssen noch ein paar Regeln geschärft werden. Die Elektromobilität spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Wenn die Zahlen der Zulassungen an Elektro-Autos, die sich die Regierung vorgenommen hat, eintreffen, gilt es unsererseits die Netze umzubauen. Es wird dann nicht so sein, dass man nur an öffentlichen Elektro-Tankstellen die eigenen Batterien auflädt. Strom wird dann beim Arbeitgeber ebenso wie zu Hause getankt. 90 Prozent aller Tankvorgänge dürften auf diese Weise erfolgen. Wenn aber verstärkt E-Autos am Netz hängen, dann muss das Netz die Kapazitäten haben, um die Leistung zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Herausforderung, vor der wir stehen.
Wie wird sich der relativ zügige Umstieg Deutschlands von fossilen Brennstoffen und Atomenergie hin zu regenerativen Energien langfristig für uns auswirken?
Man kann nicht davon sprechen, dass Atomstrom generell günstig ist. Nehmen wir das neue Atomkraftwerk Hinkley Point in Großbritannien, das enorme Kosten verursacht. Die Betreiber starten mit einem zugesagten Kilowattstundenpreis von 11 Cent plus Inflationsausgleich, während die Kilowattstunde Strom an der Börse mit 3,5 Cent gehandelt wird. Die Vergütung ist also drei Mal so hoch wie der Marktpreis. Das zeigt, dass Atomenergie unter modernen Sicherheitsaspekten richtig teuer ist. Ganz abgesehen von der ungelösten Entsorgungsproblematik. Ganz nüchtern betrachtet: Fotovoltaik-Strom oder Windstrom sind viel günstiger als Atomstrom.
Auch unter Kostengesichtspunkten ist dann der Weg, den Deutschland geht, Ihrer Meinung nach der richtige?
Ich bin davon fest überzeugt, dass unser Weg langfristig der bessere ist.
Eben haben wir davon gesprochen, dass Kommunen immer häufiger zu Energieversorgern werden. Könnte das noch weiter gehen? Ist es denkbar, dass auch private Haushalte künftig zu Energie-Selbstversorgern werden?
Sie haben völlig recht, die dezentrale Energieversorgung in den eigenen vier Wänden wird an Bedeutung gewinnen. Bei der Energiemesse Getec in Freiburg haben wir im Februar eine Brennstoffzelle vorgestellt, die Wärme und gleichzeitig Strom erzeugt. Auch Fotovoltaik mit Batterie ist im Kommen. Das sind sinnvolle Trends.
Schwächt das nicht Kleinversorger wie zum Beispiel künftig die Stadtwerke Lörrach, wenn die private Energieversorgung großflächig kommt, und sind das nicht unkalkulierbare Risiken?
Völlig unkalkulierbar ist das nicht, aber Risiken gibt es schon. Deshalb ist es ja für Kommunen so wichtig, professionelle Partner an ihrer Seite zu haben. Wir trauen es uns trotz der zweifellos vorhandenen Risiken zu, diese Herausforderungen zu managen.
Wechseln wir das Thema: Sie haben sich in der Vergangenheit regelmäßig im Sport, vor allem beim SC Freiburg, als Sponsor engagiert, der eine extrem gute Bundesligasaison gespielt hat. Wie sieht das künftig aus?
Unser Engagement beim SC ist nicht davon abhängig, ob es in der Saison gut oder schlecht gelaufen ist. Wir werden uns auch in Zukunft in unterschiedlichen Bereichen engagieren, zum Beispiel auch bei der Frauen-Bundesligamannschaft des SC als Trikot-Sponsor. Wir haben noch einen Vertrag für ein Jahr, aber soviel kann ich schon sagen: Wir werden mit dem SC-Sponsoring, beim Fußballclub der Region, danach nicht aufhören, auch wenn die Mannschaft mal wieder in der 2. Liga spielen sollte, was wir alle nicht hoffen.
Welche Rolle spielt dabei das neue Stadion, das in der Planung ist?
Für das neue Stadion haben wir das Energiekonzept erstellt. Das ist eine gelebte Partnerschaft. Das Stadion wird mit CO2-freier Wärme aus einem Nahwärmenetz versorgt. Das Stadion wird insgesamt CO2-neutral betrieben werden können. Nebenbei bemerkt, wir versorgen auch die Allianzarena in München mit Strom und Erdgas.
Badenova ist als Partner in der Region bekannt. Hat Ihr Unternehmen die Marketing-Bemühungen in jüngster Zeit verstärkt? Beispiele sind der jüngst eingeweiht City Tree am Busbahnhof oder die Wunderfitz-App, die auf Lörrach ausgeweitet werden soll?
Wir haben die Wunderfitz-App in Freiburg erfolgreich eingeführt. Da liegt es nahe, dieses kostenlose Angebot auf Lörrach auszuweiten, zumal wir sehr positive Signale von der Stadtverwaltung erhalten haben. Hinzu kommt der Wunsch, dass wir künftig in der Lörracher Innenstadt stärker präsent sein wollen mit einem Kundencenter. Dieses wollen wir in Kombination mit einem Anbieter für Telekommunikation betreiben. Weitere zentral gelegene Kundencenter in Kommunen der Region werden folgen. Ich denke, in Lörrach waren wir immer schon kontinuierlich präsent.
Gehören diese zentralen Kundencenter zu einer neuen Konzeption, um in der Fläche präsenter zu werden?
Mit dieser Konzeption sind wir erfolgreich, und wir wollen dieses Angebot ausbauen. Wir haben derzeit bereits 14 Kundencenter und suchen weiterhin die Nähe zu den Kunden. Dafür bieten sich auch größere Handelsunternehmen an, wie beispielsweise der Media-Markt in Freiburg.
Kürzlich haben Sie den City Tree am zentralen Busbahnhof in Lörrach eingeweiht. Was ist der City Tree, und was bezwecken Sie damit?
Der City Tree soll zum einen ein W-Lan-Hotspot sein. Das ist natürlich in Verbindung mit der demnächst anstehenden Einführung der Wunderfitz-App für Lörrach zu sehen.
Welche Vorteile für das Stadtklima hat der City Tree konkret?
Der City Tree ist in der Lage, CO2 aufzunehmen durch Plankton und Moos. Der ökologische Nutzen ist sehr gut. So kann der City Tree soviel CO2 aufnehmen und umwandeln wie 275 Bäume. Nicht zuletzt deshalb plant die Stadt Stuttgart ganze Alleen mit City Trees anzulegen. In Lörrach steht übrigens der erste City Tree von Badenova und die erste derartige Anlage in Baden überhaupt.
Wann werden die Lörracher die Wunderfitz-App nutzen können?
Grundsätzlich können Sie diese mit Informationsangeboten aus Freiburg und der Region schon jetzt nutzen. Sie ist ja online verfügbar (www.wunder-fitz.de). Mit der Ausweitung auf Lörrach sind wir gerade beschäftigt. Hier ist Ihre Zeitung ein wichtiger Partner für uns. Näheres dazu geben wir im Juni kurz vor dem Stimmen-Festival bekannt, wenn wir mit der Wunderfitz-App für Lörrach starten werden.