^ Kreis Lörrach: „Über den Tellerrand schauen“ - Kreis Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Kreis Lörrach „Über den Tellerrand schauen“

Die Oberbadische

Kreisseniorenratsvorsitzender setzt auf Weichenstellung für zukunftssichere Strukturen / Wohnungen fehlen

Kreis Lörrach. Die Seniorenarbeit im Landkreis Lörrach wird vom Kreisseniorenrat in den Blick genommen. Welche Herausforderungen anstehen und welche Lösungsansätze es gibt, wollte Marco Fraune vom Vorsitzenden, Bernhard Späth, wissen.

Vor zwei Jahren hat sich der ehemalige Direktor des St. Josefshauses in Rheinfelden-Herten in den Ruhestand verabschiedet. Die neue Lebensphase unterscheide sich in der Form, dass er nicht mehr in einem vertraglichen Arbeitszusammenhang steht, sondern er selbstbestimmt entscheidet, was er macht.

Ab welchem Lebensalter werden die Bürger eigentlich zu Senioren?

Diese Frage wird in den Wissenschaften nicht eindeutig beantwortet. Bedenken Sie bitte, dass bereits ab Mitte 30 der Muskelschwund beginnt und ab Mitte 20 die Fähigkeit des Denkens abnimmt. Man unterscheidet zwischen den Begriffen „Alter“ und „Altern“. Altern ist ein Prozess, der sich über den gesamten Lebenslauf darstellt. Man spricht von einem Prozess des Gestaltwandels. Doch der Mensch hat die Fähigkeit, dies weitgehend zu kompensieren. Es ist bemerkenswert, dass viele ältere Menschen dies Frage nach dem Alter damit beantworten, wenn man 80 und älter ist. Bei der Definition der Weltgesundheitsorganisation beginnt Altern mit 65.

Sprechen wir also einfach von älteren Menschen. Welche Erwartungen dürfen diese an die Seniorenarbeit im Landkreis Lörrach haben?

Sie dürfen die berechtigte Erwartung haben, dass die Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand, das heißt Landkreis und Kommunen, geregelt ist. Es muss genügend Hilfen geben, die den Erwartungen und geänderten Bedürfnissen von älteren Menschen entsprichen. Ferner sollten alle Akteure die Potenziale der Ältern, wie Zeit und Kompetenzen, nutzen.

Bei dem vom Kreisseniorenrat Lörrach veranstalteten Zukunftsforum geht es um die Zukunft der Altenhilfe. Vor welchen Veränderungen steht die Arbeit?

Die Veränderung durch die demografische Entwicklung sind hinlänglich bekannt. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der hochaltrigen und pflegebedürftigen Mensch um zirka 50 Prozent zunehmen. Dies bedeutet, dass im Bund 500 000 Pflegekräfte und in Baden-Württemberg 50 000 fehlen. Es muss stark bezweifelt werden, ob wir einfach nur so weitermachen können. Das Potenzial pflegender Angehöriger wird stark zurückgehen. Es ist höchste Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir diese gesellschaftlichen Herausforderungen lösen wollen. Erfreulich ist, dass sich die Gesundheitsbilanz der Älteren erheblich verbessert hat. Doch auch da gibt es noch Wachstumspotenzial. Es geht ganz allgemein darum, die Weichen für zukunftssichere Strukturen zu schaffen und die Älteren selbst zu motivieren, ihre Möglichkeiten zu nutzen und gegebenenfalls einen solidarischen Beitrag zu leisten.

Das selbstständige Wohnen ist ein zentraler Wunsch von älteren Menschen. Wo steht Ihrer Einschätzung nach der Landkreis bei diesem Thema?

Das Thema Wohnen spielt eine wichtige Rolle. Es fehlen im Landkreis zirka 5000 altengerechte und auch bezahlbare Wohnungen. Hier wird die sich in Vorbereitung befindliche Wohnberatungsstelle nützlich sein. Auch neue Wohnformen sind zu erproben und zu fördern. Alte Menschen sind in der Regel gerne dort, wo Leben spürbar ist. Dies kann auch in einer Alten- WG aber auch im Wohnquartier der Fall sein. Damit Ältere länger in ihrer angestammten Umgebung weiterleben können, sind vermutlich einige „informelle“ Netzwerke nötig oder hilfreich.

Zur Pflege: Ein Thema der Konferenz sind alternative Pflegekonzepte. Gibt es genug Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten im Dreiländereck?

Bei der Pflege stoßen wir heute schon oft an Grenzen. Es wird oft vergessen, dass 70 Prozent der Pflege Leistungen ambulant erbracht werden. Es wird in Zukunft schwierig sein, diese Quote aufrechtzuerhalten, weil die Anzahl der pflegenden Angehörigen abnimmt, zum Beispiel durch veränderte Berufsbiographien der Frauen und die veränderten Familienstrukturen. Der Bedarf an stationären Plätzen wird steigen – insbesondere auch die Zahl der Tages- und Kurzzeitpflegeplätze. Durch heimrechtliche Vorgaben werden bis 2019 zirka 300 Pflegeplätze wegfallen.

Kurzzeitpflegeplätze sind schon jetzt definitiv Mangelware. Wer kann in welcher Form hier eine Veränderung zum Besseren schaffen?

Die Mängel bei der Kurzzeitpflege sind ärgerlich. In erster Linie muss der Landkreis Abhilfe schaffen. Hätten wir mehr Pflegeplätze, so stünden mehr Kapazitäten für eingestreute Kurzzeitplätze zur Verfügung. Das will man nicht, weil man befürchtet, dass mehr Plätze auch belegt würden und dies die Sozialhilfeausgaben steigen lässt. Die Idee mit einem Pflegehotel ist ein Hirngespinst. Wenn man bereit wäre, die Heimträger bei den Pflegesatzverhandlungen dahingehend zu unterstützen, dass man eine 90 Prozent Auslastung zugrunde legt, wären viele Träger bereit, die nötigen Kurzzeitpflegeplätze bereitzuhalten. Auch eine falsche Anreizpolitik des Landes ist für diese Entwicklung verantwortlich.

Robert Müller von der Stabsstelle Planung und Steuerung (Altenhilfe) hat vor einem Jahr die demografische Entwicklung bis zum Jahr 2030 im Landkreis skizziert. Beim Vergleich altern heute und morgen würden mehr Heterogenität, mehr (soziale) Unterschiede, mehr Vielfalt und mehr Verletzlichkeit vorliegen...

Ich stimme der Einschätzung des Sozialplaners zu, dass mehr Heterogenität und Flexibilität eintreten wird.

Welche zentralen Weichen müssen bis in 15 Jahren auf jeden Fall gestellt sein, damit Sie als einer von dann deutlich mehr Senioren im Landkreis gesellschaftliche Teilhabe tatsächlich erleben können?

Wir müssen uns austauschen, über den Tellerrand schauen, neue Konzepte, die mit Erfolg an anderen Orten erprobt wurden, kopieren und im Dialog mit den Betroffenen und Anbietern Neues entwickeln. Wichtig ist, dass zukünftig viel mehr die Gemeinden dies als Gestaltungsauftrag erkennen müssen.

Zu einem Zukunftsforum Seniorenarbeit im Landkreis Lörrach lädt der Kreisseniorenrat für Freitag, 17. April, ein. Von 13.30 bis 17 Uhr geht es im Landratsamt um die Zukunft der Altenhilfe. Cornelia Kricheldorff von der Katholischen Hochschule Freiburg referiert über Entwicklungen und Trends bei der Altenhilfe. In Arbeitsgruppen werden die Themen „Stärkung und Ermöglichung von Verantwortungsgemeinschaften und Netzwerken als kommunale Aufgaben“, „Bewegt im Alter“, „Selbstständig wohnen im Alter“ sowie „Teilhabe im Alter“ beleuchtet (mehr: www.kreisseniorenrat-loerrach.de).

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