Kreis Lörrach Ungewisse Zukunft und harte Realität

Die Oberbadische

Diskussion mit Landtagskandidaten über die Bildungspolitik

Von Marco Fraune

Den Schulen drückt der Schuh. Neben der Lehrerversorgung sorgen sich die Pädagogen aktuell darum, wohin sich die Bildungslandschaft in der nächsten Legislaturperiode entwickeln wird. Eine Podiumsdiskussion mit den Landtagsabgeordneten sollte Licht ins Dunkel bringen.

Kreis Lörrach. Die Gemeinschaftsschule ist bei der Diskussion über die Unterteilung der Bildungslandschaft der zentrale Zankapfel. Die grün-rote Landesregierung hat im Jahr 2012 insgesamt 41 an den Start gebracht, ab Herbst werden es im Südwesten 299 Gemeinschaftsschulen sein.

Der heimische CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Lusche betonte in der Diskussionsrunde zwar, dass die Christdemokraten diese Schulform nicht eingeführt hätten, gab er zugleich eine „klare Bestandsgarantie für die Gemeinschaftsschulen“. Lusche setzt in der aktuellen Diskussion auf die „Realschule mit einer ausgeprägteren Differenzierung“.

Zwischenzeugnis für die Gemeinschaftsschule

Mit einer Bewertung, ob die Gemeinschaftsschule ein Erfolgsprojekt ist und auch beispielsweise von den Arbeitgebern geschätzt wird, tun sich sowohl der Landtagsabgeordnete Josha Frey (Grüne) als auch Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) schwer. „Drei Jahre sind sehr kurz“, setzen beide auf weitere Erfahrungswerte. Frey: „Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, doch wir müssen schauen, wo noch Verbesserungen erforderlich sind.“ Stickelberger erkennt aber eine gute Arbeit der sieben Gemeinschaftsschulen im Landkreis Lörrach. Und: „Viele Schulstandorte gerade im ländlichen Raum konnten nur als Gemeinschaftsschule erhalten werden.“

Die FDP stört sich daran, dass diese privilegiert behandelt würden, erklärte der Landtagskandidat Manuel Karcher. „Andere Schulformen sollten stärker berücksichtigt werden.“ Lusche verwies zudem darauf, dass sich bestehende Gemeinschaftsschulen teilweise bei den Schülerzahlen im kritischen Bereich befinden.

Den Bedarf an der gewährten finanzierten Ausstattung unterstrich hingegen Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), welche zu der Podiumsdiskussionsrunde eingeladen hatte. So gebe es dort 13 Prozent Inklusionsschüler, der Unterricht erfolge auf drei Niveaus, fünf Stunden stünden für den Ganztag zur Verfügung und zehn Stunden für das „Lernband“, also das selbstständige Lernen. Auch insgesamt machte Moritz klar, dass nach fünf Jahren grün-roter Bildungspolitik zwar nicht alles gut sei, doch es handele sich um ein so komplexes Thema, das noch nicht erledigt sein könnte. „Die vielen Reformen, die auf den Weg gebracht wurden, waren notwendig.“

Zu wenig Lehrer auf dem Arbeitsmarkt verfügbar

Während bei der Gemeinschaftsschule die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ansichten die Diskussion prägen, dominiert im Tagesgeschäft vor allem die Sorge um die Unterichtsversorgung. So nutzten gleich mehrere Schulleiter am Montagabend die Wahlkampf-Informationsveranstaltung, um ihr Leid zu klagen. Die Unterrichtsversorgung werde immer schlechter, wurde auf das Spannungsfeld im ländlichen Raum zwischen Freiburg und Nordwestschweiz als beliebtere Arbeitsorte verwiesen. Seit 1998 habe sich hier nicht viel geändert, kritisierte unter anderem Frank Braun, Schulleiter am Hans-Thoma-Gymnasium. Isolde Weiß, Leiterin der Pestalozzischule in Lörrach, ergänzte für den Förderschulbereich zudem in deutlichen Worten: „Das grenzt an Körperverletzung“, verwies sie auf eine Verdoppelung an Aufgaben und eine Halbierung des Personalbestandes.

Hoffnung, dass die CDU als Regierungspartei kräftig Stellen aufbauen wird, machte Lusche nicht. „Eines kann die Politik auch nicht: Wir können keine Leute backen.“ Generell würden Fachkräfte gesucht.

Die Einschätzung des FDP-Kandidaten Karcher teilten die rund 100 Pädagogen bei der Diskussionsrunde offensichtlich nicht. Seine Aussage „Trinationalität ist ein Anreiz für Lehrer, hierher zu ziehen“, quittierten viele der rund anwesenden 100 Pädagogen mit Gelächter. Sie wissen, dass viele Lehrer von Freiburg nach Lörrach mit Fahrgemeinschaften anreisen und nach dem Unterricht schnell wieder zurückfahren. Zudem lockt die Nordwestschweiz mit dem starken Franken.

Der Empfehlung der Schulleiter und auch von Helmut Rüdlin, Leiter des Schulamtes Lörrach, die Pädagogen früher an die Schulen im Landkreis zu locken, will Stickelberger aufgreifen. „Da haben wir Nachholbedarf.“ Auch wisse er, dass befristete Verträge per se schlecht sind. Frey: „Wir müssen die Leute festnageln mit einem unbefristeten Vertrag.“ Auch Lusche sieht die Notwendigkeit, den regionalen Besonderheiten stärker zu begegnen.

Grundschulempfehlung und Elterneinbindung

Die gestrichene verbindlichen Grundschulempfehlung will die CDU zwar nicht kassieren, doch Eltern verpflichtend zur Beratung und zum Gespräch einbestellen. Moritz bewertete den Wegfall positiv, da Lehrer entspannter mit der Empfehlung umgehen könnten. Außerdem hätten 88 Prozent der Fünftklässler auf dem Gymnasium tatsächlich eine entsprechende Empfehlung erhalten. Im Gegensatz dazu weisen die Realschulen mit einem Viertel Hauptschulempfehlung, einem Viertel Gymnasiumempfehlung und der Hälfte Realschulempfehlung eine sehr große Heterogenität auf. Frey versicherte, dass man auf die Differenzierung in der Realschule setze. „Die Realschulen haben ihren festen Platz und ihre Bedeutung“, ergänzte Stickelberger.

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