Kultur Das ging unter die Haut!

Die Oberbadische
Ein richtiger Hit bei der Cellonacht des Solsberg-Festivals: Ravels Bolero in einer Fassung für Celli und Trommel.     Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Cellonacht des Solsberg-Festivals mit zwölf Celli

Von Jürgen Scharf

Rheinfelden-Schweiz. „Der Tango ist Musik, die man unter der Haut trägt“, sagte Astor Piazzolla. Wir sehen zwar immer, was Sol Gabetta an feinster Spitzen-Couture auf der Haut trägt, aber wir vermuteten schon immer, dass dem argentinischen Temperamentsbündel am Cello der Tango Nuevo im Blut liegt.

Zumindest ging der konzertante Tango bei der „Cello–nacht“ des Solsberg-Festivals mit zwölf befreundeten Cellisten im proppenvollen Bahnhofssaal unter die Haut. Vorausgegangen ist ein abenteuerlich-abwechslungsreicher Programm-Mix zwischen charakteristisch ganz unterschiedliche Werken zeitgenössischer Musik, brasilianischer Bach-Hommage, Konzertwalzern und Boleros: alles Raritäten für tiefe Streicher.

Im Bahnhofssaal gehen die Lichter aus und an den Pulten kleine Lämpchen an. Das dunkel gedimmte Licht wird bei Alexander Knaifels „Comforter. A Prayer to the Holy Spirit“ für Cellochor immer heller, die Musik immer klarer: ein Per aspera ad astra-Erlebnis, durch Nacht zum Licht.

Mit gleißend hellem Bühnenlicht geht es „attaca“ weiter, ohne den Applaus des Publikums abzuwarten, zum Konzert für zwei Celli und Streicher g-Moll RV 531 von Antonio Vivaldi in einer Bearbeitung von Ivan Monighetti. Vivaldi ist Musik, die Sol Gabetta sicher „unter der Haut trägt“, wie man des Öfteren schon erleben konnte, wenn die Ausnahme-Cellistin Barockes spielt. Hier nun im langsamen Satz sind die beiden Cellostars Gabetta und Ivan Monighetti, ihr ehemaliger Lehrer, traut vereint beim Duettieren. Begleitet von einer Cellotruppe in verblüffendem virtuosem Einklang, erstaunlich klangschön und brillant,

Originell in jeder Beziehung, so zeigte sich das Programm, eine Köstlichkeit reihte sich an die andere. Mutig, nach Vivaldi Neue Musik auf die Pulte zu legen: Giovanni Sollimas „Violoncelles, vibrez!“, ein Werk, in dem das Celloorchester so richtig schön in Vibrato schwelgen und vibrieren kann.

Spannend gemacht der Beginn von Heitor Villa-Lobos’ „Bachianas brasileiras“ Nr. 5 für Sopran und Celloensemble. Die Sängerin, im schwarzen rückenfreien Kleid mit glitzernden Pailletten, geht singend durchs Parkett zur Bühne, wo sie zuerst ihre wunderbaren Vokalisen intoniert. Die junge kroatische Sopranistin Olena Tokar singt die Musik des Brasilianers makellos schön, tanzt dazu, zaubert Atmosphäre in den Saal und trifft den Pulsschlag der Bachianas, zupackend begleitet vom großen Cellokollektiv.

Fantastisch spielt diese junge Celloelite mit dem Repräsentanten der großen Cellokunst und letzten Studenten von Rostropowitsch, Monighetti, Stücke von Jacques Offenbach. Und ganz exotisch, aber effektvoll gemacht: Ravels Bolero, mit einem Schlagzeuger mit rotem Torerohut. Einzeln betreten die Musiker die Bühne. Liefern die sich hypnotisch steigernde Bolero-Melodie ab, zu exakt durchgehaltenem Trommelrhythmus.

Funkensprühend-lebendig, quirlig-jung geht die Cello–nacht zu Ende mit zwei Tangos aus Piazzollas „Jahreszeiten“, bei denen noch gesprochene Gedichte eingebaut werden. Mehr geht nicht an zündend, zupackend, spielfreudig, rhythmisch temperamentvoll, Witz und gekonnter Verve. Und zeigt, dass Sol Gabetta notabene auch den Tango „unter der Haut trägt“.

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