Von Dorothee Philipp
Badenweiler. Mit drei Generationen der französischen Moderne von Debussy bis Mantovani wurden am Donnerstag die Badenweiler Musiktage eröffnet. Sie stehen unter dem Motto „...à la française...“. Aber das Konzert wurde darüber hinaus auch zu einer berührenden Hommage an die Freundschaft.

Zuerst Intendant Klaus Lauer: Er widmete das erste Konzert der Reihe dem im Februar verstorbenen Musikkritiker Gerhard Rohde, dessen Wort in der Musiklandschaft Gewicht hatte und bei dem hinter der „Fassade eines Hagestolzes“ ein großes Herz schlug. Bei der Vorstellung eines Programms für die damals von ihm organisierten Römerbad-Musiktage habe er Rohde nur ein „na ja, ganz nett“ entlocken können, erinnerte sich Lauer. Das sei ein großes Lob gewesen.

Dann im zweiten Konzertteil „Le livre de Jeb“, das Bruno Mantovani für seinen Freund, den Pianisten Jean-Efflam Bavouzet (Jeb) komponiert hatte, der diesen Abend bestritt. Mantovani, der in allen vier Konzerten der Frühjahrsreihe als Komponist und auch als Pianist präsent ist, hat diese Komposition auf den Klavierstil seines Freundes abgestimmt. Dessen virtuoses Fähigkeiten und sein Debussy-Spiel hätten ihn animiert, mit ähnlichen Texturen der sehr schnellen und luftigen Klangteppiche zu experimentieren, schreibt Mantovani zu diesem Stück. Bavouzet zelebrierte es nach einer geheimnisvoll um einen Tritonus zirkulierenden Einleitung energisch zupackend, mit durchdringende Klarheit auch im dichtesten Tongewühl, aus dem glühende die Diskant-Funken stoben und die Bässe ein dramatisches Donnergrollen inszenierten.

Hier, wie auch den ganzen Abend über konnte man neben der unglaublichen Virtuosität Bavouzets die bezaubernde Eleganz genießen, die vielleicht das eindrücklichste Kennzeichen der französischen Musik der Moderne ist. Debussy kam dreimal „zu Wort“. Bavouzet präsentierte dabei auch eine eigene Transkription von Debussys letztem Orchesterwerk „Jeux“ (1913), das in seiner Gestik und Nicht-Tonalität bereits auf Boulez hinzuweisen scheint, der an diesem Abend mit der zweisätzigen Klaviersonate Nr. 1 präsent war. Auch hier Virtuosität in höchster Zuspitzung, in rasenden Tonkaskaden, fiebrig vibrierenden Kettentrillern, Streichereffekten im Pianissimo und einem kraftstrotzenden Finale, das in einem flüsternden Gesäusel verhaucht.

Eine Hommage an den Impressionismus waren zwei Stücke aus Ravels „Miroirs“, die wiegende und dann in schwere Gewässer geratenden „Barque sur l’ océan“ und das märchenhafte „Vallée des chloches“, in dem die obertonreichen Nachklänge und Echowirkungen von Glockenschlägen in fast naturalistischer Manier eingefangen sind. Boulez’ Sonate gelang als faszinierendes Mobile der Töne, deren Gruppierungen in raffinierter Balance und einer eigenen, ausgeklügelten Motorik zueinander stehen, mit wie ein Unwetter dreinfahrenden Prankenhieben, mit bedeutsamen Pausen und luftigen Arabesken. Der erste Satz endet mit einem kleinen tönenden Cartoon: wenn man meint, es ist vorbei, hört man noch das Liedchen eines kleinen vorwitzigen Vogels. Intendant Lauer hatte in seiner Einführung darauf hingewiesen, dass die französische Musik hierzulande doch eine große Unbekannte ist, man quasi eine „ferne Nähe“ zu ihr pflegt und noch viele Komponisten der Entdeckung harren.

Wenn auch eher die bekannten Namen zum Zug kamen, so öffnete doch die Zugabe den Horizont: Mit der 1887 komponierten Etude de Concert von Gabriel Pierné zeigte Bavouzet eine weitere Facette der französischen Klaviermusik: federleicht, flüchtig, wieselflink und mit Freude an Humor und kleinen Schmalzigkeiten - und für Normalsterbliche kaum spielbar.

Am Samstag, 18 Uhr, spielen Isabelle Faust (Violine) und Alexander Melnikov (Klavier), Bruno Mantovani wird außerdem am Klavier improvisieren (Françaix, Fauré, Antheil). Am Sonntag, 18 Uhr, spielt das Quatuor Danel mit der Harfenistin Sarah O’Brien und Solisten des Ensemble Modern (Varèse, Franck, Debussy, Mantovani, Ravel)