Von Anja Bertsch
Lörrach. Jazz trifft Pop trifft Alternative-Rock, Bigband-Sound bekommt Beatbox zum Nachbarn und jungenhafter Charme verbindet sich mit musikalischer Reife: Mit einem stilistischen Breitbandprogramm auf musikalischem Hochplateau und unbändig sympathischem Auftreten eröffnete Jamie Cullum am Mittwoch die Serie der Stimmen-Markplatzkonzerte und setze gleich am ersten Abend ein absolutes Highlight.

Nach 2011 war es der zweite Auftritt des jungen Briten beim Festival, und die zahlreichen Wiederholungstäter im Publikum kamen auch bei dieser Neuauflage voll auf ihre Kosten – ebenso wie alle Neufans: Zwei Stunden lang verfolgten Tausende auf dem sehr gut besuchten Marktplatz das Feuerwerk, das der Vollblut-Musiker mit Piano und Stimme und zusammen mit den Hochklasse-Musikern seiner vierköpfigen Band abbrannte.
Cullum sprüht vor Energie, Vitalität und guter Laune, mit federnden Schritten derwischt er vom Flügel am Bühnenrand zum Mikrofon in der Mitte, verausgabt sich als virtuoser Tastentänzer beim eigenen Spiel und als headbangender Jazz-Rocker bei den Einlage seiner musikalischen Mitstreiter, er nimmt das Bad in der Menge und schickt einen spitzbübisch-spöttischen Gruß in die „Posh-Suite“ auf dem Balkon gegenüber, dessen Besetzer kurzerhand zum Background-Chor ernannt werden und diesen Part erstaunlich stimmkräftig meistern.

„Ich bin ein 36-jähriger Mann“, verkündet der Brite mit extra-tiefer Stimme und ordentlich Selbstironie. Wohl wissend, dass er klein und drahtig wie er ist, mit Sneakers und Batik-Shirt, mit verstrubbeltem Haar, herzigem Grinsen und flummimäßig über die Bühne (und auch mal auf den Flügel) hüpfend – eher wie das frisch geschlüpfte Bühnen-Küken wirkt. Entertainment, Spaß und Unterhaltung pur also. Und gleichzeitig kein Moment des Zweifels am musikalischen Anspruch und an der Qualität von Cullum und seiner Band. Sein Tastenspiel ist virtuos, es swingt und perlt – harmonisch wie rhythmisch Sonderklasse.

Zweites großes Markenzeichen ist seine volle, warme Stimme mit ihrem hohen Wiedererkennungswert. Cullum zelebriert den stilistischen Crossover, präsentiert sich als Wandler zwischen den Genres; switcht zwischen Stilen und Stimmungen hin und her, von einem Stück aufs nächste, oft auch innerhalb ein und desselben Nummer: Mal erklingt die Band als (beinahe) akustisches Jazztrio mit Kontrabass, Swing-Drums und perlendem Jazz-Piano, dann wieder wird das große Gedeck aufgelegt, den elektronisch verfärbtem Synthesizer-Sound-Teppich und die mit jeder Menge Hall dräuend aufgeblähte Stimme inklusive. Samtiger Jazzgesang geht über in mundgeblasene Beatbox-Einlagen, Pophymne mündet in Bigband-Arrangement und die feine Balladen mit intimen, versunkene Momente macht unversehens Platz für die powergeladene Funknummer.

In diesem Konzept gehen der 30er-Jahre-Klassiker „Singing in the rain“ und Rihannas „Umbrella“ nicht nur thematisch zusammen, sie fügen sich auch musikalisch bestens; und gemeinsam haben sie die Macht, so stellt Jamie mit breitem Grinsen fest, den Regen zu vertreiben, der pünktlichst zum ersten Blues-Riff des Abends eingesetzt hatte. Mit Vorliebe knöpft sich Cullum aktuellere Pop- und R’n’B-Stücke vor, um ihnen seinen eigenen Stempel aufzudrücken

Die großen musikalischen Momente gibt es, wenn Cullum sich in seinen jazzig–swingend souligen Heimatgewässern tummelt: Dann faszinieren er und seine Band als exzellente Interpreten von Jazzstandards wie Cole Porters „Love for Sale“ oder Burton Lanes „Old Devil Moon“, bei der die Trompete eine astreine Miles Davis-Hommage über den Marktplatz schickt.

 Packend und rundum stimmig sind auch die Blues-/Soul-Nummern wie das Ray-Charles′ „Don’t you know“, das als kräftig zuschiebende Bluesnummer den Abend eröffnet, mitreißend die auf jener Schiene zudampfenden Eigenkompositionen Cullums wie „When I get famous“, „You and me are gone“, oder das swingende „Twenty something“.

Vibrieren die Euphoriewellen beim Publikum den ganz Abend über schon mit hoher Freuqenz, so gibt’s zum Ende den finalen Gemeinschafts-Glücksmoment im Stück „Mixtape“, dessen textlos-melodiöser Refrain von den Zuhörer-Mitsingern weitergetragen wird, während die Band nach und nach von der Bühne verschwindet: Der ganze Marktplatz ist außer Atem, vor Mistingen, Mitspringen und Seligkeit. Ein letztes intimes Solo – „What a difference a day makes“ – bringt den stimmigen Ausklang.

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