Lörrach 150 Karstadt-Mitarbeiter in Sorge

Die Oberbadische
Eine Studie stuft die Lörracher Karstadt-Filiale als „sehr stark gefährdet“ ein. Archivfoto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Studie bezeichnet Standort Lörrach als „sehr stark gefährdet“ / Geschäftsführung widerspricht

Von Guido Neidinger

Lörrach. Die Hiobsbotschaften um den Warenhaus-Konzern Karstadt reißen nicht ab. Die Schließung von mehr als 20 Filialen steht zur Debatte. Auch Lörrach ist nach einer Studie der Universität Leipzig „sehr stark gefährdet“.

Am Sonntag veröffentlichte das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Focus-Money einen Artikel unter der Überschrift „Diesen 29 Karstadt-Filialen droht das endgültige Aus“. Auf der angehängten Deutschlandkarte sind 29 Karstadt-Standorte aufgeführt, die als „gefährdet“, „stark gefährdet“ und „sehr stark gefährdet“ eingestuft werden. Zu den am stärksten gefährdeten Standorte gehört auch Lörrach.

Vollbeschäftigung mit extrem hoher Wertschöpfung

Das Magazin Focus Money bezieht sich bei dieser Auflistung auf die Einschätzungen des Warenhaus-Experten Gerd Hessert, der Lehrbeauftragter für Handelsmanagement an der Universität Leipzig ist und früher als Manager im Karstadt-Konzern tätig war.

Über die angeblich gefährdeten 29 Karstadt-Häuser urteilt Hessert in dem Focus-Online-Artikel folgendermaßen: „An diesen Standorten kommt vieles zusammen: die generelle Konkurrenz durch Online-Anbieter, die sinkende Attraktivität des Warenhauses als Einkaufsstätte, aber auch eine geringe Wirtschaftskraft der Umgebung.“

Unbegründet ist die große Sorge um zahlreiche Karstadt-Filialen nicht. Stephan Fanderl, der Aufsichtsratschef des Essener Konzerns, hatte in einem Interview in der vergangenen Woche bereits erklärt, dass das Unternehmen sich Sorgen um die Profitabilität „von mehr als 20 Häusern“ mache. Namen von Standorte nannte Fanderl nicht. Karstadt betreibt zur Zeit noch 83 Warenhäuser.

Dass auch der Standort Lörrach auf der Liste steht und noch dazu als „sehr stark gefährdet“ eingestuft wird, kann Filial-Geschäftsführer Enrico Wallborn „überhaupt nicht verstehen“, wie er auf Anfrage gestern betonte.

Lörrach besitzt laut Wallborn „einen boomenden Einzelhandel, von dem auch Karstadt profitiert“. Die Unterstellung in der besagten Studie, dass die gefährdeten Karstadt-Standorte von einer „geringen Wirtschaftskraft der Umgebung“ geprägt seien, kontert Wallborn, ohne direkt auf die Studie, die er nicht kennt, einzugehen, mit den Worten: „In unserer Region herrscht Vollbeschäftigung mit einer extrem hohen Wertschöpfung. Wir haben viele treue Kunden auf der deutschen und der Schweizer Seite.“

Laut Wallborn hat Lörrach „beim Einzelhandel alles richtig gemacht“. Das könne man besonders samstags erleben. „Lörrach ist eine richtige Einkaufsstadt geworden“.

Spekulationen nicht im Interesse der 150 Karstadt-Mitarbeiter

Auch die von Hessert in seiner Studie unterstellte „sinkende Attraktivität des Warenhauses als Einkaufsstätte“ kann Wallborn für das Lörracher Karstadt-Haus nicht nachvollziehen. Karstadt Lörrach habe sich blendend entwickelt und seine Attraktivität durch Markenpräsenz deutlich gesteigert. Hinzu kommen nach den Worten des Geschäftsführers „hohe Investitionen, die auch von den Kunden positiv registriert werden“.

Die Spekulationen um Karstadt, die jetzt mit der Focus-Veröffentlichung neue Nahrung erhalten haben, sind nach den Worten Wallborns „nicht im Interesse unserer 150 Mitarbeiter“. Die Belegschaft stehe regelrecht „unter Schock“. Auch die Betriebsratsvorsitzende Susann Steinebrunner bestätigte, dass derzeit „eine deprimierende Stimmung herrscht“. Wallborn und Steinebrunner sind eigenen Worten zufolge pausenlos damit beschäftigt, „wieder Ruhe in die Belegschaft zu bringen“.

Wallborn ist weiter von einer guten Zukunft für den Karstadt-Standort Lörrach überzeugt, zumal „das Haus extrem erfolgreich ist“.

Auch Wirtschaftsförderin Marion Ziegler-Jung kann nicht nachvollziehen, dass der Karstadt-Standort Lörrach vor dem Aus stehen soll. Sie vermutet, dass die Zahlen, die der Studie zugrunde liegen, nicht aktuell sind, und die Studie auf dem Reißbrett entstanden ist, ohne Kenntnis der Fakten vor Ort. Überregionale Studien, so Ziegler-Jung, „haben oft unsere besondere Situation der Grenzlage nicht im Blick“.

„In Lörrach steht                 eine Vorzeige-Filiale   von Karstadt.“

Auch am Lörracher Haus kann die negative Bewertung in Focus Money nach Meinung von Ziegler-Jung nicht liegen: „Karstadt ist im Lörracher Einzelhandel ein Aktivposten.“ Zudem sei in den vergangenen Jahren viel in Qualität investiert worden. „Wenn ich das mit anderen Städten in Deutschland vergleiche, dann steht in Lörrach eine Vorzeige-Filiale von Karstadt“, gibt Ziegler-Jung ein klares Bekenntnis ab.

Sie ist „sicher, dass das Karstadt-Management in Essen die guten Lörracher Zahlen kennt und der Standort deshalb nicht gefährdet ist.“

Für den Pro-Lörrach-Vorsitzenden Horst Krämer wäre eine Schließung von Karstadt „ein schwerer Schlag für die Lörracher Innenstadt, weil ein großer Magnet wegfallen würde“. In einem solchen Fall müsste man laut Krämer noch einmal über die Bebauung des Postareals mit einem Dienstleistungszentrum nachdenken. Noch aber kann und will Krämer sich das Aus von Karstadt in Lörrach nicht vorstellen. Der Vorsitzende von Pro Lörrach vermutet, dass die Studie, auch wenn er sie inhaltlich nicht kenne, „aus der Entfernung erstellt wurde“.

Der Warenhaus-Experte Gerd Hessert war nach Meinung von Krämer „in den vergangenen Jahren sicherlich nicht in Lörrach und kennt unsere Gegebenheiten nicht“. Die Grenzlage zur Schweiz könne man nicht mit der Grenzlage einer deutschen Stadt zu Polen oder Tschechien vergleichen.

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