„Ich möchte dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten.“ Mit diesem Wunsch endete unser Artikel über Hamadi Sowe im Mai 2015. Der Flüchtling aus Gambia arbeitete da gerade einige Tage bei „Heiner’s Backparadies“ in Tumringen. Knapp ein Jahr später ist der 34-Jährige noch immer in dem Lörracher Familienbetrieb beschäftigt – eine Erfolgsgeschichte  in Sachen Integration? Jein.  

Von Kristoff Meller
Lörrach. Hamadi Sowe wirkt bei unserer zweiten Begegnung in der Backstube deutlich offener. Der 34-Jährige war in seiner  Heimat als Fahrer  unterwegs, bevor er im Oktober 2014 nach Deutschland kam. Nachdem er in der Erstaufnahmestelle einen Asylantrag gestellt hatte,  landete er   in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) Gretherstraße.

Seine Frau und seinen fünfjährigen Sohn hat er in Gambia  zurückgelassen. Erst  beim zweiten Treffen spricht er darüber: „Es war wirklich hart, zu gehen, und ich hoffe, dass sie auch nach Deutschland kommen können“, sagt Sowe auf Englisch. Sein Deutsch sei noch nicht gut: „Ich verstehe langsam mehr, aber bei vielen Dingen weiß ich nicht, wie sie heißen.“

Während Sowe einer der ersten aus seiner zwölfköpfigen Vier-Zimmer-WG war, der eine Arbeit gefunden hat, gehen inzwischen zehn seiner elf Mitbewohner einer Tätigkeit nach. Doch durch die besonderen Arbeitszeiten  ist sein Tagesablauf anders: arbeiten, essen,  schlafen. „Ich war einmal in Freiburg, ansonsten gehe ich nicht groß weg“, erzählt er.

„Hamadi ist sehr zuverlässig und pünktlich“, lobt Heiner Rexrodt. Sein Arbeitstempo – eines der Hauptprobleme zu Beginn – habe sich „gesteigert“ und sei nun „akzeptabel“. Der 34-Jährige, den Rexrodt als Bäckereihelfer zum Tariflohn eingestellt hat, sei inzwischen „in der Backstube angekommen“ und „Teil des Teams“. Er erledige seine Aufgaben „sehr ordentlich“, jedoch habe sich gezeigt, dass er „mit dem Lesen unserer Schrift Probleme hat“. Dieses Defizit führt immer wieder zu Verständnisfehlern: „Hamadi ist intelligent, aber er kann sein Potenzial nicht ausschöpfen.“

Mehr als 50 Prozent  der Bevölkerung Gambias können   nicht  lesen und schreiben. Flüchtlinge  aus dem kleinen afrikanischen Land stehen laut dem Freundeskreis Asyl in Baden-Württemberg relativ weit oben in der Asylbewerberstatistik. In vielen Fällen sei nicht klar, ob sie Verfolgte  oder Armutsmigranten seien.  Rexrodt vergleicht Letztere mit den deutschen Auswanderern  im 19. Jahrhundert. Es sei nicht verwerflich, für eine bessere wirtschaftliche Perspektive auszuwandern. „Deutschland braucht aber dringend ein Einwanderungsgesetz, um Asylbewerber und Wirtschaftsflüchtlinge zu trennen.“

Asylantrag nach 17 Monaten noch immer nicht bearbeitet

Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Gambia lag 2015 gerade einmal bei zwei Prozent. Ob Sowe dazu gehört, weiß er 17 Monate nach seiner Antragsstellung noch immer nicht. „Es gab noch keine Anhörung“, erklärt Heimleiterin Ulrike Krämer. Die  Stapel von Asylanträgen werden nur langsam bearbeitet.

Auch wenn über Sowes Antrag im Oktober – zwei Jahre nach seiner Ankunft – nicht entschieden sein sollte, muss er die GU verlassen und in die Anschlussunterbringung umziehen. Mittelfristig müsse man aber realistisch sein, sagt Krämer. „Aus Gambia werden fast alle abgelehnt.“ Die  Flüchtlinge wüssten das: „Sie wollen so lange wie möglich hier bleiben, um Geld zu  verdienen, aber sie rechnen damit, dass sie zurück müssen.“  Durch die geringen Mietkosten (155 Euro) für das WG-Zimmer, das er sich mit zwei Kollegen teilt, könnten sie „ordentlich was heimschicken“, so Krämer. Das Lernen der deutschen Sprache habe hingegen nicht „oberste Priorität“.

Falls Sowe zurück in seine Heimat muss, gebe es dennoch einen Weg,  weiterhin Laugenbrezeln für Heiner’s Backparadies zu formen: Mit einem Arbeitsvertrag und einer normalen Unterkunft kann er laut Krämer „ganz legal“ mit einem Visum direkt wieder einreisen. Über diese Variante hat sich auch Heiner Rexrodt bereits informiert: „Das Ordnungsamt hat uns signalisiert, dass man da eine Lösung finden kann.“ Natürlich könnte er    die Arbeitsstelle auch neu besetzen. Aber: „Ich weiß nicht, ob ein Nachfolger die gleiche Zuverlässigkeit an den Tag legen würde, und Zuverlässigkeit  ist das Wichtigste.“ Es fehle dem Bäckereihelfer zwar noch deutlich an Flexibilität,   Rexrodt und seine Mitarbeiter „versuchen ihm  aber mehr und mehr beizubringen“. Schließlich sollen das Abspülen von Blechen und das Formen von Laugengebäck nicht seine Haupttätigkeiten bleiben.  

Nach knapp einem Jahr zieht der Bäckermeister insgesamt ein positives Fazit: „Anfangs wollte ich bewusst etwas für die Integration tun, mittlerweile ist es ein normales Arbeitsverhältnis geworden, das zwar nicht ganz störungsfrei, aber insgesamt positiv ist. Wenn es nicht funktionieren würde, hätten wir uns längst trennen müssen, denn wir können es uns nicht leisten, jemanden mitzuschleppen.“