Nicht nur richtig und falsch
Auf dem Podium moderiert Yeboaa Ofosu, Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule der Künste Bern. Sie erzählt von einem Konzert der Schweizer Reggae-Band „Lauwarm“, das im Jahr 2022 in Bern stattfand und abgebrochen wurde, weil sich einige aus dem Publikum beim Anblick der Frisuren der Musiker, die Dreadlocks trugen, unwohl fühlten und meinten, es handele sich um eine kulturelle Aneignung. Angehörige einer herrschenden Kultur hätten nicht das Recht, sich schöpferische Errungenschaften einer unterdrückten Gruppe anzueignen.
„Ein Gespräch findet nicht statt. Wie soll man damit umgehen?“, beklagt auch Ofosu. In diesem „Richtig und Falsch“-Denken gehe viel Potenzial für konstruktive Diskussionen verloren.
Man bekommt den Eindruck, dass Balzer, der in Hamburg Philosophie und Germanistik studiert hat, sich mit seiner analytischen Abhandlung von der „Ethik“ der kulturellen Aneignung wie ein Krieger auf das Schlachtfeld wirft, um zu retten, was noch zu retten ist. Die Debattenkultur sei nicht mehr normal. Man habe Angst, etwas Falsches zu sagen. „Es gab mal eine Grundsolidarität, bei der man sich austauschen konnte. Diese Grundsolidarität ist zerfallen. Heute breitet sich eine extreme Einsamkeit aus.“