Freizeitgruppen, Familien und Urlauber auf der Durchreise: Die Gästestruktur der Hellmut-Waßmer-Jugendherberge ist vielfältig, die Übernachtungszahlen sind konstant. Seit dem Winter kennen sich die Herbergseltern  zudem mit der Flüchtlingsunterbringung aus.

Von Kristoff Meller

Lörrach. Für sieben Wochen – von November bis Weihnachten 2015 – waren aufgrund des starken Flüchtlingsstroms und der Notsituation im Landkreis 34 Personen in der Jugendherberge untergebracht. Der Landkreis hatte dort diverse Zimmer für syrische Familien mit Kleinkindern und schwangeren Frauen angemietet.

„Es war eine bundesweite Entscheidung des Deutschen Jugendherbergswerks, aus humanitären Gründen asylsuchende Flüchtlinge aufzunehmen. Auch der DJH-Landesverband  stellte Räume zur Verfügung und gestaltete die Unterbringung der Flüchtlinge integrativ in den normalen Gästebetrieb“, erzählt Tobias Müller. Für die Sozialbetreuung und Heimleitung sorgte wie in den anderen Unterkünften der Landkreis, der die Jugendherberge bis zur Fertigstellung einer beheizten Unterkunft als Zwischenlösung nutzte. „Es war von Anfang an klar, dass das zeitlich beschränkt sein wird. An Weihnachten haben wir geschlossen und in der Hauptsaison könnten wir das auch nicht leisten“, sagt Nadine Müller.

Tobias Müller: Erwartungshaltung der Flüchtlinge zu groß

Die Flüchtlinge seien wie eine reguläre Gästegruppe mit allen Rechten und Pflichten untergebracht gewesen. Die Situation vor Ort habe sich aber zunächst etwas chaotisch gestaltet, da auch der Landkreis von der Flüchtlingswelle überrollt worden sei und erst Strukturen schaffen musste. Wenngleich die Sozialpädagogin und der Heimleiter getan hätten, was sie konnten, so Müller.

Ein Grundproblem, das er im Rückblick sieht: „Die Erwartungshaltung der Flüchtlinge war zu groß.“ Viele seien davon ausgegangen, sofort eine eigene Wohnung zu erhalten. „Anfangs waren alle sehr aufgeschlossen und es gab keine Probleme, aber der gute Geist ist immer mehr eingeschlafen, weil ihr Status so lange unklar blieb“, spekuliert er.

Gerade Alltagsgewohnheiten und Rücksichtnahme auf die übrigen Gäste seien zudem oft schwer vermittelbar gewesen: „Klare Vorgaben sind da oft besser als zu viele Freiheiten“, hat der Herbergsvater gelernt. Durch die lange Aufenthaltsdauer gab es auch beim Thema Sauberkeit manchmal Klärungsbedarf.

In der sehr heterogenen Gruppe sei es untereinander zu „heiklen Situationen“ gekommen, da die Familien aus ganz unterschiedlichen sozialen Schichten stammten. Die anderen Gäste seien hingegen „sehr aufgeschlossen“ gegenüber den Flüchtlingen gewesen: „Es gab viele Sachspenden von Gästen, aber auch aus Stetten und vom Salzert.“

Insgesamt seien die sieben Wochen eine Herausforderung und eine „besondere Erfahrung“ für das Team gewesen, so Müller. Diese Zeit habe aber auch sehr schöne Momente beinhaltet. So brachten zwei Frauen ihre Babys im Elisabethen-Krankenhaus zur Welt und kehrten nach wenigen Tagen gesund und munter zurück.

Übernachtungen  von Familien nehmen zu

Bei den Übernachtungszahlen machen die Flüchtlinge jedoch nur einen Bruchteil aus. Aufs Jahr verteilt rechnet das Ehepaar für 2016 erneut mit rund 24 000 Gästen. „Ein ganz wichtiger Faktor sind die Familien, deren Anzahl weiter steigt, und auch Freizeitgruppen kommen verstärkt zu uns. Schulklassen könnten es ruhig ein paar mehr sein“, ergänzt Tobias Müller. Doch gerade im Bereich der Klassenfahrten gebe es „viel Konkurrenz in der Region“. Zumal Schüler, die den Schwarzwald erkunden möchten, die Jugendherbergen am Schluchsee, auf dem Feldberg oder in Freiburg bevorzugen: „Wir stehen da erst in der zweite Reihe.“

Dafür rollt aktuell wieder die „Durchreisewelle“. Die Jugendherberge spüre dabei auch die Auswirkungen der politischen Situation in der Türkei: „Neben Spanien ist auch Italien wieder mehr gefragt“, sagt Tobias Müller. Da die Strecke bis zur Toskana oder an die Adria für viele Familien aus Norddeutschland oder den Niederlanden am Stück jedoch zu lang ist, planen sie einen Zwischenstopp in Lörrach, der auch mal ein paar Tage dauern kann.

Einen großen Anteil unter den ausländischen Besuchern machen laut Nadine Müller die eidgenössischen Nachbarn aus: Rund 20 Prozent sind Schweizer, darunter viele Freizeitgruppen wie Sportteams oder Konfirmanden. „Wir haben sie sehr gerne bei uns, weil sie die Pfadfinder-Kultur im Blut haben“, sagt Tobias Müller.

20 Prozent der ausländischen Gäste stammt aus der Schweiz

Ein Trend bei Schüler- und Freizeitgruppen sei ein „Baustein-Programm“: „Sie wollen schon im Vorfeld ihre Aktivitäten zusammengestellt bekommen.“ Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, sind die Herbergseltern zu Beginn des Jahres eine Kooperation mit der Lörracher Firma „Art of Outdoor“ eingegangen, um mehr Waldpädagogikkurse oder Kanutouren anbieten zu können.

Das eigene Team umfasst derzeit neben dem Ehepaar, das seit viereinhalb Jahren die Leitung inne hat, zehn Mitarbeiter sowie studentische Aushilfen. Ab September wird es durch eine FSJ- und eine Bufdi-Kraft verstärkt. Ein Mitarbeiter mit Handicap fehlt bislang noch im Team, laut Nadine Müller sei man „aber immer noch offen dafür.“


Hellmut-Waßmer-Jugendherberge:
Die Jugendherberge wurde von 1980 bis 1982 erbaut. 
Bettenzahl: 168 in 49 Schlafräumen, Übernachtungen, 2015: 24 488, Januar bis Juni 2016: 10 923. Auslastung 39,93 Prozent (2015), zum Vergleich im Landesverband insgesamt 39,53 Prozent.
Gästestruktur: ca. 28 Prozent Familien, ca. 28 Prozent Schulklassen, ca. 26 Prozent Freizeitgruppen, ca. 9 Prozent Einzelreisende, ca. 5 Prozent Junioren, ca. 4 Prozent berufliche Bildung