Lörrach Charmanter Wortakrobat

Die Oberbadische
Keine Scheu vorm Gang ins Publikum: Willi Astor im Lörracher Burghof Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Kabarettist Willi Astor nutzt Sprache als Universalinstrument / „Nachlachende Frohstoffe“ im Burghof

Von Dorothee Philipp

Lörrach. Er kann Geschichten erzählen, in denen 123 Filmtitel vorkommen. Die zählt zwar keiner, aber man glaubt es ihm auch so: Willi Astor ist der unangefochtene Wortakrobat, der die Sprache durch unermüdliches Puzzeln mit Wörtern, Silben und Lauten als Universalinstrument für Gedichte, Geschichten, Lieder und Wortspiele handhabt.

Am Sonntag trat er mit seinem Programm „Nachlachende Frohstoffe“ im vollbesetzten Lörracher Burghof auf, einer der letzten Termine dieser Tournee. Seine Neuentdeckungen im Labyrinth der Wörter machen Spaß, vor allem, wenn es etwas schwieriger ist, ihre Genese zu kapieren. So dauerte es eine ganze Weile, bis das Publikum begriffen hatte, dass die neue Ablage in der Küche von Maik F. die „Maik-F-Ablage“ heißt, was sich erst durch längeres Nachsprechen als „Maikäferplage“ outet.

Wenn Willi Astor seine Geschichten und Lieder mit solchen lingualen Turnübungen vollstopft, gibt es kein Halten mehr, die Pointen prasseln im Takt von Millisekunden. Es ist lustig, manchmal ein bisschen schlüpfrig, albern, komisch, oft erfrischend sinnfrei, immer charmant. In den „Literwochen auf den Spirituosen“ hat er seinen Koffer gepackt in dem sich allerhand Klamotten befinden und „Jeans a no“. Er nimmt am „Selbsthilfe-Grappa“ teil und schüttelt den eingeschlafenen Gärtner, weil er sich die bange Frage gestellt hat: „Warum metter nich?“ Dieser rührt sich aber nicht. Auch wenn er zum „Kindischen Ozean“ tourt, wo die Nation der Halluzi lebt - also die Halluzi-Nation - und das Reh „Gista“ in den Bäumen hängt, weil es ein „Hänge-Reh-Gista“ ist. Da freut sich alles, denn Willi Astor bleibt in seinem imaginären Sandkasten, verspielt, neugierig, gutartig, hat keine Ambitionen, mit seinen Wortentdeckungen auf Politiker-Schelte zu gehen oder Gesellschaftsanalyse zu betreiben. Dass er dabei unverhohlen und langatmig für seine CDs, Bücher und Liederbücher („Lieder fürs Lacherfeuer“) wirbt – geschenkt!

Entzückend seine Geschichte von der Taube Joachim, genannt Jo, die gurrt. Das Schweizerlied mit Dutzenden von Zitaten aus allen möglichen Hits und Bandnamen wie „Fränkli goes to Hollywood“ oder „Bern to be wild“, freut natürlich die Eidgenossen, die zahlreich im Publikum sitzen. Man darf auch mitsingen, etwa wenn der Song, der sich aus der Feststellung „Ich sitze hier als Bratwurst“ entwickelt, den schönen Refrain „Grilling me softly by Pingpong“ generiert. Begeisterung ernteten auch seine „Pubertiere“ und „Hab d’ Maschin scho putzt“, zehntausende Mal auf Youtube angeklickt.

Abschied macht wehmütig, angeblich sind die „Nachlachenden Frohstoffe“ 350 Mal über die Bühne gegangen. So dauerte es eine ermüdende Viertelstunde, bis der Künstler sich endlich auf die Bühne begab, nach einer Wanderung durch die ersten Reihen bei der er den Leuten so interessante Sachen wie Vorname, Herkunftsort oder Job entlockt und sich über ihre Klamotten lustig gemacht hatte.

Lange Anläufe auch im Programm, bis endlich das „Liedl“ an den Start geschoben war, zerstreutes Wühlen im Zettelhaufen, „i hab’s glei“– auf diese Weise kamen die angekündigten drei Stunden locker zusammen.

Als Liedermacher und Vertoner von schlicht gestrickten Gutmenschen-Texten wie bei „Einfach sein“ kann Willi Astor seinem offenkundigen Vorbild Reinhard Mey nicht den Rang ablaufen, auch wenn er recht hübsch Gitarre spielt und seine Stimme ein ähnliches Timbre hat. Auch seine neuste Gitarrenkomposition „Nautilus“, mit der er das Publikum entließ, wirkte eher als einschläfernde Hintergrundmusik, hier riss der für Willi Astor viel zitierte „Bogen zwischen spaßigem Kabarettisten und philosophierendem Musiker“ ab. Vielleicht war er aber auch nur einfach ein bisschen ausgelaugt nach 350 „Nachlachenden Frohstoffen“.

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