Lörrach Der  Stadt  Orientierung  geben

Die Oberbadische

Stadträte und Verwaltungsspitze legen in zweitägiger Klausur wichtige Leitlinien fest

Von Guido Neidinger

Lörrach/Freiburg. Zwei Tage gingen die Lörracher Stadträte und die Rathaus-Spitze in Klausur, um losgelöst vom politischen Alltag wichtige Weichen für die kommunalpolitische Arbeit in den kommenden Jahren zu stellen.

Vier zentrale Themenblöcke, die die städtische Politik immer wieder beschäftigen werden, standen in der Klausurtagung im Hotel Schloss Reinach bei Freiburg am Freitag und Samstag auf dem Programm: die wirtschaftliche Entwicklung, Sport/Bildung/Kultur, Wohnen und Mobilität. Erarbeitet wurden die Leitlinien der Lörracher Stadtpolitik jeweils in fünf Arbeitsgruppen. Anschließend wurden die einzelnen Ergebnisse im Plenum vorgetragen und die wichtigsten Richtlinien gemeinsam formuliert.

Gelöst sind damit noch keine Probleme. Aber die Richtlinien sollen Orientierung geben auf dem Weg, der vor dem Gemeinderat und damit vor der Stadt liegt.Ob die Zielsetzungen Bestand haben werden, oder ob nachgesteuert werden muss, wird sich zeigen. Der einhellige Tenor aber lautete: Wir dürfen die Entwicklung der Stadt nicht dem Zufall überlassen, auch wenn sich Dinge ändern können.

Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen und im Plenum waren von Offenheit und einem fairem Umgang miteinander geprägt. Nicht Partei-, sondern Sachpolitik stand im Vordergrund. Nicht immer, aber häufig waren sich die Arbeitsgruppen in der Einschätzung der Problemlagen und der zu ergreifenden Maßnahmen einig. Finanzen Mit einem Exkurs in die Finanzen der Stadt führte Kämmerer Peter Kleinmagd in die Klausurtagung ein. Laut Kleinmagd ähnelt die Stadt „einem ziemlich großen mittelständischen Betrieb“. Die Einnahmen der Kommune haben sich innerhalb von neun Jahren von 69 Millionen auf gut 100 Millionen Euro erhöht. Gleichzeitig sind aber auch die Ausgaben deutlich gewachsen. Im Durchschnitt investiert die Stadt pro Jahr elf Millionen Euro. Nicht zurückgeführt werden konnte bislang die Verschuldung. Diese beträgt im Kernhaushalt knapp 20 Millionen Euro. Die Entschuldung ist laut Kleinmagd erklärtes Ziel. Allerdings gelingt das wohl nur langfristig. Die Stadt Offenburg habe bei deutlich höheren Einnahmen für die Entschuldung 20 Jahre gebraucht, erläuterte Kleinmagd und ergänzte: „Wir brauchen dafür sicher länger.“

Wirtschaftliche Entwicklung

Grundsätzlich will Lörrach sich als wirtschaftsfreundlicher Standort präsentieren und den Firmen durch verlässliche Vorgaben ein möglichst hohes Maß an Planungssicherheit bieten.Neben der Ansiedlung weiterer Unternehmen soll der Bestand gesichert werden. So soll das bewährte Märkte- und Zentrenkonzept weiterentwickelt werden. Angesichts weniger Gewerbeflächen soll ein aktives Gewerbeflächenmanagement erfolgen mit einem klaren Konzept für die Vergabe von Grundstücken. Vorrang sollen Betriebe genießen, die möglichst viele Arbeitsplätze schaffen. Schnelles Internet soll auch in den Gewerbegebieten Standard werden. Erklärtes Ziel ist die Realisierung des Dienstleistungszentrums auf dem Postareal. Überprüft werden sollen die Steuersätze, auf die die Stadt Einfluss hat, zum Beispiel die Gewerbesteuer. Ein neuer Gesichtspunkt ist der Aufbau eines Gewerbehofs für Handwerksbetriebe nach dem Vorbild des erfolgreichen Innovationszentrums Innocel mit derzeit 30 Firmen und 300 Arbeitsplätzen.

Bildung/Kultur/Sport

Nicht einig waren sich die Teilnehmer der Klausur nach intensiver Diskussion, ob Lörrach Kulturstadt ist oder nicht – trotz eines unbestritten breit gefächerten Kulturangebots wurde hier ein Fragezeichen gesetzt. Der Burghof und das Stimmen-Festival als kulturelle Leuchttürme werden nicht in Frage gestellt. Allerdings soll das Programm des Burghofs überdacht werden. Und hier will der Gemeinderat ein Wörtchen mitreden, auch unter dem Gesichtspunkt, volkstümlichere Musik zuzulassen. Burghof-Geschäftsführer Markus Muffler hingegen will die Programmdiskussion nur in den internen Gremien des Burghofs führen. Angestrebt wird eine bessere Vernetzung und Förderung der Kultur-Vereine, ähnlich wie im Sport. Erstaunlich: Obwohl aufgeführt, spielten die Themen Sport und Bildung in der Klausurtagung fast keine Rolle. Welche Entscheidungen in den nächsten fünf Jahren hier notwendig sind, blieb unklar. Das wurde von Stadträtin Cecilia Sallinas de Huber bemängelt.

Wohnen

Hier konstatierten alle Teilnehmer dringenden Handlungsbedarf. In ihrem Eingangsreferat machte Wirtschaftsförderin Marion Ziegler-Jung deutlich, dass Lörrach mindestens bis 2030 wachsen wird. Neue Baugebiete sollen mit Hochdruck erschlossen werden. Bestehende Bebauungspläne werden überarbeitet, sodass zum Beispiel mehr Geschosswohnungsbau möglich wird. Dem Trend einer zunehmend älteren Gesellschaft will die Stadt mit alternativen Wohnangeboten für Senioren Rechnung tragen. Davon verspricht man sich auch, dass ältere Menschen ihre oft größeren Wohnungen frei machen für junge Familien. Grundstücke sollen künftig nach sozial gerechten Kriterien vergeben werden, um auch Normalverdienern Wohneigentum in Lörrach zu ermöglichen. Über einen noch zu bildenden Stadtfonds soll der städtische Grunderwerb forciert werden.

Mobilität

Knackpunkt der Klausurtagung war das Thema Mobilität. Hier herrscht die geringste Übereinstimmung, wie Oberbürgermeister Jörg Lutz abschließend konstatierte. Bei der Zusammenstellung der Leitlinien für die kommenden fünf Jahre bestand die Gefahr einer nicht mehr praktikablen Endlosliste von Entscheidungen. Schließlich disziplinierten sich die Teilnehmer dann doch und „beschränkten“ sich auf elf Punkte. Dazu gehört zunächst eine Erhebung über den Anteil des Verkehrs vom Fußgänger über Radfahrer, Bus und Bahn bis zum Auto, um gesichertes Datenmaterial zu haben. Ziel ist es, das Auto in der Innenstadt zurückzudrängen. Optimiert werden soll das Busnetz. Eine Machbarkeitsstudie für die Tramverlängerung von Riehen ist klare Mehrheitsmeinung.Die Preisgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs soll überprüft werden (Stichworte: Citytarif, Kurzstreckentarif). Das Thema Parken soll umfassend in den Fokus rücken (Stichworte: Park & Ride am Stadtrand, zusätzliches Parkhaus). Das Radwegenetz soll optimiert werden. Der S-Bahn-Halt Zollweg genießt hohe Priorität. Firmen sollen dazu bewegt werden, ihren Mitarbeiter attraktive Angebote zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs oder des Fahrrads zu machen. Die Stadt will hier vorangehen. Überprüft wird die Möglichkeit eines Ringverkehr um die Innenstadt (wir berichten noch).

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