Von Kristoff Meller
Lörrach-Haagen. Viel Zuspruch, aber auch kritische Stimmen: Die Bürgerinformation zur Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Haagen am Mittwoch in der Alten Halle hat gezeigt, dass es noch Überzeugungsarbeit bei den Skeptikern braucht, obwohl die bisherigen Erfahrungen im Landkreis sehr gut sind.
 
Befürchtungen der Bürger
Viele  Befürchtungen bezogen sich auf die Größe der GU: „200 Menschen  sind sehr viel – das wird nicht einfach“, warnte  eine Frau aus der Stöckmattenstraße.  Ein Vater aus der Nachbarschaft   sah das ähnlich: „Die Flüchtlinge sind gerne willkommen, aber ich verstehe nicht, warum 200 Menschen in ein Heim müssen.“
 
Jürgen Kern, Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Familienheim, der die Nachbarhäuser an der Hornbergstraße gehören, erklärte: „Uns ist es wichtig, dass sich die Anwohner weiterhin wohlfühlen, daher bitten wir um eine sensible Planung.“
 
Eine junge Mutter, deren Tochter den Kindergarten Arche Noah besucht, ist ebenfalls skeptisch: „Ich glaube nicht, dass alles so harmonisch wird, wie sie es hier erzählen. Wenn da etwas passiert, werde ich mein Kind sofort  aus dem Kindergarten nehmen.“
 
Hoffnungen der Bürger
Diese Aussage stieß bei Heidi Kaltenbach vom Kindergarten Arche Noah auf Unverständnis: „Wir haben schon jetzt einen hohen Anteil von Kindern aus anderen Ländern. Diese Kulturen haben unseren Kindergarten aber bereichert.“  Neben Sprachförderunterricht gebe es beispielsweise türkische Nachmittage, an denen die Eltern Spezialitäten kochen. „Wir freuen uns auf die Flüchtlinge und haben keine Angst“, sagte Kaltenbach unter Applaus.
 
Die hat auch Stadträtin und Anwohnerin Inge Gula nicht: „Die Kriminalität ist so niedrig oder hoch wie in der restlichen Bevölkerung.“ Die Kirche stehe ebenfalls  „in den Startlöchern“, teilte Pfarrer Daniel Völker mit. Der Kirchengemeinderat hatte seine Sitzung extra in die Alte Halle verlegt.
 
Stadt und Landkreis
„Wir nehmen Ihre Befürchtungen sehr ernst“, erklärte Landrätin Marion Dammann. „Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen aber, dass sie nicht zutreffen. Mein Glaube ist da unerschütterlich, weil wir es bislang genau so feststellen.“  Sie   verteidigte auch die Unterkunftsgröße: „Auf komprimierten Raum können wir eine sehr gute Betreuung bieten, gemeinsame Aktivitäten lassen sich so viel besser koordinieren.“
 
„Vermutlich können wir Ihnen die Besorgnis heute nicht nehmen“, ergänzte Oberbürgermeister Jörg Lutz. „Erst wenn man die Menschen  kennenlernt, schlägt die Angst oft in Freundschaft um.“ Bürgermeister Michael Wilke versuchte für die Situation der Flüchtlinge zu sensibilisieren: „Natürlich haben Sie Sorgen und Ängste, aber wer hat die größeren – Sie, die in geordneten Verhältnissen leben, oder die Menschen auf der Flucht, die in ein fremdes Land kommen?“
 
Positive Erfahrungen
„Allen Skeptikern Mut zusprechen“, wollte auch Vitus Lempfert, der sich mit dem Arbeitskreis Miteinander „seit 23 Jahren freiwillig um Flüchtlinge und Asylbewerber“ kümmert. Er empfahl: „Gehen sie in die GU, das wird ein tief greifendes Umdenken nach sich ziehen.“
 
Dazu luden auch Ulrike Krämer, Leiterin der GU in der Gretherstraße, und Sozialdezernentin Elke Zimmermann-Fiscella ein. „Bei uns sind die Hälfte der Bewohner alleinstehende Männer, da hatten wir im Vorfeld natürlich auch Befürchtungen“, berichtete Krämer.  Diese hätten sich aber nicht  bestätigt. „Sie sind hoch motiviert, zu arbeiten.“ Acht haben bereits einen Job gefunden.
 
Bessere Infrastruktur
Die Nahverkehrsanbindung  soll im Zuge des Neubaus ebenfalls optimiert werden. „Die Busse sind schon jetzt an der Kapazitätsgrenze und teilweise auch darüber“, sagte Michael Wilke. Aktuell lasse die Verwaltung ein „Stadtbusgutachten“ erstellen, um festzustellen, „wo nachgebessert“ werden müsse.
 
Große Hoffnungen für den „lang gehegten Wunsch“ eines Supermarkts  wollte Jörg Lutz hingegen nicht machen. Besser sieht es bei der  Kinderbetreuung aus. Geplant sei eine fünf Gruppen umfassende Einrichtung, die laut Lutz möglichst in der Nähe der Schlossbergschule angesiedelt werden soll. „Ich bin optimistisch, dass wir rechtzeitig fündig werden.“

Architektenwettbewerb
20 Architekturbüros beteiligen sich laut Dammann derzeit am Wettbewerb und erarbeiten  einen Entwurf. Dabei sei ihnen auch mit auf dem Weg gegeben worden, an die Nachhaltigkeit zu denken, um den Gebäudekomplex später für „andere Wohnzwecke“ nutzen zu können. Neu ist, dass auch die  Caritas und die Katholische Sozialstation auf dem Gelände angesiedelt werden. „Das Haus soll einladend und offen für die Bürger sein“, erklärte die Landrätin.
 
„Normalerweise gibt es keine Wettbewerbe für solche Unterkünfte, wir wollen aber eine besondere Lösung, die sich in die Landschaft einfügt“, ergänzte Wilke. „Ich glaube es ist einzigartig, dass man so vorgeht“, bestätigte Dammann.
 
Abgabeschluss für die Architektenentwürfe ist Ende Juni, das Preisgericht kürt den Gewinner am 16. Juli. Anschließend werden die Entwürfe  präsentiert. Die Baureife wird laut Wilke bis Ende des Jahres angestrebt.